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Posted on 10.2.2021

Miethaie und anderes Ungeziefer Der Stuttgarter Privatermittler Georg Dengler steigt samt Freundin Olga im Berliner Hotel Savoy ab. Dass sie sich das leisten können, liegt an der Untreue mittlerer und leitender Automanager. Ein nettes kleines Detail im neuen Kriminalfall des bluesliebenden Detektivs. Eines von vielen, denn wie gewohnt ist Wolfgang Schorlau wieder hochaktuell. Diesmal beleuchtet er die Praktiken der großen Hedgefonds, die dazu führten, dass in Berlin und anderen Städten in Deutschland die Politiker die staatlichen Mietwohnungen billigst verramschten, also Staatseigentum privatisierten, was letztendlich, wie zu erwarten, dazu führte, dass diese von gewinnorientierten Finanzfonds aufgekauft und profitabel verwertet werden und wurden. In Berlin gründeten die verzweifelten WohnraumsucherInnen eine Initiative zur Enteignung der Deutsche Wohnen GmbH. Ich werde immer sehr aufmerksam, wenn, wie zuletzt von Wirtschaftsminister Altmayer, öffentlich angedacht wird, das „Tafelsilber“ zu verkaufen. Ohne Zweifel ist es möglich, von irdenen Tellern zu speisen doch, wie sich leider sehr häufig, ich denke sogar immer, gezeigt hat, gehen bei Privatisierung von Volkseigentum die Bürger immer leer aus und zahlen danach für die ehemals staatlichen Dienstleistungen erheblich mehr bei mieserem Service. Eigentlich sollten das auch Politiker wissen. Die teure Unterstützung externer Berater in vielen Ministerien scheint aber nicht dazu beizutragen die Faktenlage zu erhellen und zum Wohle der Bürger zu agieren. Eher das Gegenteil zeigt sich, dieses allerdings immer erst nachdem die profitablen Deals bereits abgewickelt wurden und die Bürger und Steuerzahler gleich doppelt gemolken werden und wurden. Also Obacht, wenn gewählte PolitikerInnen wieder laut über PRIVATISIERUNG nachdenken. Wolfgang Schorlaus Spezialität ist es, diese, sonst auch medial fein gedeckelten Ungerechtigkeiten und teils mit krimineller Energie vorangetrieben, Deals aufzudecken. Er macht das (gesellschafts) politische im Privaten publik. Seine Protagonisten sind Menschen wie sie in jeder Nachbarschaft vorkommen, mit all ihren Problemen, Sorgen und Eigenheiten. Er spürt das reale Leben hinter dem Klischee auf, geht ins Detail und lässt einen an seinen bitteren Erkenntnissen was und besonders wie es schiefläuft teilhaben. Faszinierend ist seine Recherche auch, weil er sich nicht darauf beschränkt den, Bauunternehmer dessen Mieter empört auf die Straße gehen, nur eindimensional böse darzustellen, sondern die Mechanismen und Hintergründe aufdeckt. Die Verselbständigung der Gier nach immer mehr Ertrag und ihre Folgen für jene, die finanziell dabei nicht mehr mithalten können. Wer wie ich im netten Einfamilienhäuschen auf dem Lande lebt, kann sich wenig vorstellen, dass es Entmietungshelfer gibt, die einmal angeheuert, ihrer Profession mit sehr übersteigertem Enthusiasmus nachgehen und zu welchen Schrecken das führen kann. Es ist ein fieser Sumpf, den der Stuttgarter Detektiv hier durchwühlt und das während sich Corona in alle Alltagsbelange drängt. Auch in die Freundschaft zu einem seiner Kumpel, der sich in die Fänge der Wissenschaftsnegierer und Nazimitläufer begibt und jeden Mist glaubt dem ihm jemand aus dem Internet als die Wahrheit verkauft. Viele Gründe den Blues zu bekommen und so übt sich Georg Dengler, dessen Entwicklung und Wesen mir in diesem Roman ein wenig zu kurz kam, in der Bluesharp, um seinen geschätzten Junior Wells nachzuspielen. Seine Ermittlungen sind dabei aber deutlich erfolgreicher.

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