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Buchdoktor

Posted on 8.2.2021

Viet Thanh Nguyens namenlos bleibender Icherzähler würde in China Banane genannt, nur außen gelb und innen weiß. Der Gefangene im Dienstgrad eines Captains, der im Zuge seiner politischen Umerziehung sein Leben niederschreiben muss, wuchs als Kind einer vietnamesischen Mutter und eines französischen Priesters auf. Der Junge wurde in der Schule vom Vater in die christliche Religion eingewiesen. Dass er seine Schüler ihrer eigenen Kultur entfremdete, hat der Vater vermutlich nicht reflektiert. Der junge Mann mit der Sozialisation zweier Kulturen kehrte nach einem Studium in den USA nach Vietnam zurück und harrt im Zuge des Falls der Stadt Saigon 1975 auf die Evakuierung durch die Amerikaner. In Rückblicken wird die veränderte Sicht auf den Zuwanderer deutlich, der als Student in den USA noch respektiert war, sich als Flüchtling jedoch nun mit allen Asien-Klischees dieser Welt konfrontiert sieht. Gearbeitet hat er im Krieg als Quartiermeister, später als Aide-de-Camp eines südvietnamesischen Generals, der wie andere Figuren des Romans hinter der generalisierten Maske einer ganzen Gruppe verborgen bleibt. Vom ersten Kapitel an zeigt der Berichterstatter sich als gebildeter, kritischer Charakter, der sich aufgrund seiner Biografie kultureller Gegensätze und der Widersprüchlichkeiten der USA und Asiens nicht nur bewusst ist, sondern der sie beinahe schon süffisant zu analysieren vermag. Spannung entstand für mich aus der Frage, was der junge Mann während des Vietnamkriegs erlebte und wer er eigentlich ist. Der Mann mit den zwei Gesichtern, der Mitläufer, Agent, Assistent eines hohen Militärs versprach schon zu Beginn sich als komplexer Charakter zu öffnen, der kluge Einsichten ins Verhältnis der USA zu Asien bieten könnte. Viet Thanh Nguyen reflektiert dieses Verhältnis u. a. am Einfluss von Hollywood-Filmen auf Asien und den Zusammenhang zwischen einem zunächst mit filmischen Mitteln erzeugten Bild eines Landes und einem Krieg der USA gegen dieses Land. Zuerst kommen die Bilder im Film, dann die Expansion … Wer schon mit Menschen konfrontiert war, die ihre Englisch- und USA-Kenntnisse hauptsächlich aus Filmen bezogen haben und sich damit für ausreichend gebildet hielten, kann die komplexen Zusammenhänge ahnen, die hier entfaltet werden. Eine erstaunliche Themenvielfalt platziert Viet Thanh Nguyen in seinem mit dem Pulitzerpreis ausgezeichneten Roman; von der Identitätssuche zwischen zwei Kulturen, dem Ost-Welt-Verhältnis, Krieg, Flucht, über Agenten-Thematik, bis zur Disneysierung gewachsener Kulturen, dem Hollywood-Film als Schule der Welt und unseren durch Filme geprägten Sehgewohnheiten. „Der Sympathisant“ wartet mit einer klugen, vielschichtigen Erzählerfigur auf und setzt beim Leser nicht nur Interesse am Vietnam-Krieg und interkulturellen Themen voraus, sondern auch die Bereitschaft, sich mit den Kriegen der USA im 20. Jahrhundert kritisch zu befassen. Mich hat das Buch stark beschäftigt. (19.6.2017 zur englischen Ausgabe)

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