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Buchdoktor

Posted on 7.2.2021

1968 erschien "Das weiße Album" der Beatles. Vor den EMI-Studios an der Abbey Road harren jugendliche Fans ihrer Idole. Als in einer Straße an der Rückseite der Studios ein sehr junges Mädchen tot aufgefunden wird, liegt der Gedanke nahe, dass auch sie zur Szene der Beatles-Fans gehören könnte. Sergant Breen von der Metropolitan Police hat gerade einen schweren Stand gegenüber seinen Kollegen, als er mit den Ermittlungen beauftragt wird. Sein Chef kann Breen nicht leiden und zu allem Überfluss ist dem CID (Criminal Investigation Department) mit Helen Tozer ein weiblicher Trainee zugeteilt worden. In Breens Abteilung ist bisher die Sekretärin die einzige Frau. Die älteren Kollegen beharren darauf, dass Frauen keinen Polizeidienst leisten können; und offenbar verbieten die Vorschriften Polizistinnen sogar das Steuern eines Polizeiautos. In einer Abteilung mit offen vertretenen sexistischen Ansichten ist Breen offenbar der einzige Kollege, der den Vorteil für die Ermittlungen sehen kann, wenn eine junge Kollegin 17-jährige Zeuginnen vernimmt. Da auch Tage nach dem Leichenfund keine junge Frau vermisst gemeldet wird, ziehen sich die Ermittlungen zunächst hin, ehe der Fall mehrere überraschende Wendungen nimmt. Das London der 60er Jahre liegt dem Autor, der umfangreich über Themen der Pop- und Subkultur geschrieben hat, deutlich am Herzen. Einer Krimihandlung dagegen tun Details nicht gut, die der Autor aus purer Freude an der Vermittlung seines umfangreichen Wissen einbaut und die für den eigentlichen Fall unerheblich sind. Angesichts einer solchen Faktenschwemme hat man leicht den Eindruck, dass der Autor seine Leser für schwer von Begriff hält. Dass alte schwarze Telefone aus Bakelit waren, versteht man schon bei der ersten Erwähnung. Ob es einen interessiert oder nicht, in beiden Fällen muss die Wiederholung wirklich nicht sein. Ähnlich ging es mir mit Szenen, die die sexistische Einstellung der Zeit verdeutlichen sollten. Nach der ersten drastischen Szene war klar, dass Breens Kollegen Frauen allenfalls zum Kaffeekochen akzeptieren und ein großes Hemmnis bei der Integration der Kollegin Tozer in der Abteilung eine andere Frau sein wird. Eine Beschränkung auf eine Szene wäre wirkungsvoller gewesen als der aufdringliche Unterton "Habt Ihr es endlich alle mitgekriegt, Polizisten waren damals rassistisch und sexistisch!". Parallel zu den Ermittlungen beschäftigt Breen und seine Abteilung die wichtige Frage nach der Zukunft der Polizei, falls sich die Moralvorstellungen weiter so rasant wie in den 60ern ändern sollten. Kollege Carmichael meint dazu, dass es Zeit wird, sich beim Drogendezernat zu bewerben, im Sittendezernat würde sicher niemand mehr Karriere machen können. Ebenfalls interessant für mich war die Überlegung, wie stark die persönliche Betroffenheit eines Polizisten seine Dienstfähigkeit einschränken könnte, wenn derjenige als Angehöriger selbst von einer Gewalttat betroffen ist. Spannend fand ich William Shaws Krimi wegen der og. Wiederholungen nicht. Die Schauplätze in London, Devon und Cornwall und auch die Beziehung innerhalb des Ermittler-Duos Tozer und Breen haben jedoch meine Neugier auf die Fortsetzung der geplanten Reihe geweckt.

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