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Buchdoktor

Posted on 3.2.2021

Sophie Wolf arbeitet als Staatsanwältin beim Bundeskriminalamt. Besondere Merkmale: sie ist ehrgeizig und sie ist die Tochter von Richard Wolf, dem Präsidenten des BKA. Zwischen Vater und Tochter herrscht seit Jahren Funkstille. Der alte Wolf war ein klassischer abwesender Vater und Sophie gibt ihm die Schuld am Tod ihrer Mutter, die an Alkohol- und Medikamentenmissbrauch zugrunde ging. Vater und Tochter treffen bei der Aktion Rubikon aufeinander, von der zu vermuten ist, dass Wolf senior sich in einer rasant verändernden Szene einen grandiosen Abgang verschaffen will. Mit Wolfs Pensionierung fallen zeitlich entscheidende organisatorische Veränderungen beim BKA zusammen. Die Zusammenarbeit der „Dienste“ in ihrer alten Form ist der zunehmend verschwimmenden Grenze zwischen Organisierter Kriminalität und Terrorismus, sowie weltweit der Korruption und Kriminalität bis in höchste Regierungskreise offensichtlich nicht mehr gewachsen. Sophies erster großer Fall findet auf einer Bühne statt, auf der der Verteilungskampf im weltweiten Drogen- und Waffenhandel auf seinen Höhepunkt zusteuert. Es ist ein Krieg der Bosse, bei dem das Fußvolk gnadenlos geopfert wird, wenn es seinen Dienst getan hat. Sophies ungelöster Konflikt mit ihrem Vater könnte für beide gefährliche Folgen haben. Andreas Pflügers Roman erschien im letzten Regierungsjahr von Bundeskanzler Schröder und lässt neben einem fiktiven Bundeskanzler eine gewaltige Besetzungsliste auftreten. Politiker, Staatsoberhäupter, Mitarbeiter der Geheimdienste, des BND und der Bundesanwaltschaft, Kriminelle aller Schattierungen. Von nahezu jedem ist erst noch zu entdecken, welchen Herren er dient außer der Organisation, die das Gehalt überweist. Die nächste Bundestagswahl mit einem umfangreichen Stühlerücken steht bevor. Die Veränderungen werden sich wie die Ringe im Wasser nach einem Steinwurf auf alle beteiligten Institutionen ausbreiten. Wer nach Wolfs Abgang in Berlin Karriere machen und sich weitere Pfründen sichern will, hat das Messer bereits gezückt. „Operation Rubikon“ wirkt zuallererst sehr komplex und aufwendig recherchiert. Ein Personenverzeichnis wäre hilfreich gewesen. Mit jedem Kapitel tauchen neue Personen auf, die häufig eine langjährige Bindung zueinander aufgebaut haben, von der wiederum nur sie selbst oder Eingeweihte wissen. Wenn man sich die Handlung als kräftige Kordel vorstellt, entwickeln sich durch die zahlreichen Bündnisse an dieser Kordel dünnere Bögen, die wieder zum Handlungsfaden zurückführen. Schauplätze sind u. a. Krakau, Lissabon, La Paz, Zypern, Berlin und Hamburg. Die Verbindung von Politik, Verbrechen, Geheimdiensten, kurzen atmosphärischen Schilderungen, menschlichen Beziehungen, Drama, Technik und Humor finde ich außerordentlich gelungen, in der Länge von fast 800 Seiten jedoch etwas zu umfangreich. Für einen über 10 Jahre alten Thriller wirkt die Handlung erschreckend aktuell. Von der Frage, ob der Schengen-Raum aus dem Ruder läuft und damit am Ende ist, über den weltweiten Handel von Drogen gegen Waffen bis zur Korruption in höchsten Staatsämtern scheint sich seit der Operation Rubikon wenig geändert zu haben. Im Gegenteil.

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