bella5
„Das Holländerhaus“ ist einerseits real & andererseits ein Symbol (oder auch ein pars pro toto). Die Villa der lebende Beweis für die Möglichkeiten durch soziale Aufwärtsmobilität & eine Manifestation des American Dream. Dieses Haus erwarb Cyril Conroy einst in Philadelphia und machte es zum Familiendomizil. Doch seine Frau verließ ihn und die gemeinsamen Kinder zunächst kurzzeitig und dann für immer, um sich selbst zu verwirklichen - natürlich in Indien. Der Ich – Erzähler Danny führt durch das Geschehen. Nach dem Weggang der Mutter verändert sich die familiäre Dynamik grundlegend – Danny & seine Schwester Maeve entwickeln eine besonders innige Beziehung, da Maeve notgedrungen die Mutterrolle übernehmen muss. Als Cyril erneut heiratet, wird Dannys & Maeves Welt erneut ins Wanken gebracht: Die Stiefmutter Andrea Smith (sie hätte auch Jane Doe heißen können) bringt eigene Kinder in die Ehe mit, Cyrils Nachwuchs aus erster Ehe stört da nur, und so verlieren Maeve & Danny nach dem plötzlichen Tod des Vaters das Haus, das so viel mehr als nur ein Zuhause war, und doch kehren sie als Erwachsenen immer wieder an den Ort ihrer Kindheit zurück… Die Erzählperspektive bewirkt, dass man als Leser/in das Gefühl hat, mittendrin statt nur dabei zu sein, und obwohl man erwarten könnte, dass der Ich-Erzähler im Mittelpunkt steht, ist es eigentlich Maeve, die in den Fokus gerückt wird. Sprachlich und stilistisch ist „Das Holländerhaus“ großes Kino, da fallen Längen in der Erzählung meines Erachtens nicht so sehr ins Gewicht. Die Autorin nimmt sich Zeit, um eine stimmige Geschichte zu entwerfen, da bleiben Längen natürlich nicht aus, aber es wird auch eine Erzählung mit Tiefgang erschaffen. Die nicht lineare-Erzählweise mit den Zeitsprüngen macht das Ganze zu etwas Besonderem, Familiengeschichten gibt es wie Sand am Meer, amerikanische Coming of Age stories sind fast schon ein Stereotyp, und doch gelingt es Ann Patchett, dem Genre eine neue Facette zu verleihen. Die feine Figurenzeichnung konnte mich begeistern, manche Charaktere wie Andrea (die sprichwörtliche böse Stiefmutter) sind einerseits überzeichnet, anderseits auch wieder nicht: „Andrea war erfreut. Selbstverständlich. Immerhin hatte sie es seit Jahren darauf angelegt, sich Zutritt in das Haus zu verschaffen […]“. „Das Holländerhaus“ von Ann Patchett ist ein gelungener Familienroman. Es gibt Erzählelemente, die an ein Märchen erinnern, und doch ist die Geschichte nicht so simpel „gestrickt“ wie eine Fabel, daher empfehle ich diesen Roman gern zur Lektüre.