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mrs.misery

Posted on 26.1.2021

Dass ich ein Buch besonders gut finde merke ich daran, wie stark es Gefühle in mir auslöst. In diesem Fall würde es die Skala sprengen, wenn ich darstellen sollte, wie viel Wut, Fassungslosigkeit und Ohnmacht ich beim Lesen empfunden habe. 'Meine dunkle Vanessa' erzählt die Geschichte der 15-jährigen Vanessa, die in ihrer Schulzeit ein Verhältnis mit ihrem Englischlehrer beginnt. Was mit einer Schwärmerei für einen Lehrer beginnt, entwickelt sich Stück für Stück zu einem Albtraum, aus dem die Protagonistin nur noch fliehen will, würde sie den Mut aufbringen, ihrem Bauchgefühl zu vertrauen. Aber da ist noch diese andere Stimme in ihr, die ihr einredet, dass sie das alles selbst will, selbst daran Schuld sei, dass der 42-jährige Englischlehrer Dinge mit ihr anstellt, die sich nicht gut anfühlen, denn schließlich gibt er ihr immer wieder die (Schein-) Freiheit, alles zu beenden. Grooming ist das Stichwort. Kapitelweise wechselt die Perspektive der minderjährigen Vanessa zu ihrem 32-jährigen Ich, die die Entwicklung der vergangenen Jahre erzählt. Was auf den ersten Blick alles so ungeheuerlich, beinahe absurd erscheint, ergibt Sinn, wird nachvollziehbar und macht diesen Roman so einzigartig: Die unglaubliche Geschichte einer jungen Frau, die vermutlich in unzähligen Varianten unzähligen Frauen passiert ist und aufzeigt, wie einfach es Täter*innen mitunter haben können. Was mir zu Beginn des Romans fehlt, ist eine Triggerwarnung. Recht explizit werden einzelne Details geschildert, die für einige Leser*innen verstörend sein können. Für mich in jedem Fall ein Buch, das in keinem feministischen Bücherregal fehlen darf.

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