daslesendesatzzeichen
„Mut zur Unperfektheit“ hat mir meine liebe Mitstreiterin thursdaynext hier gerade empfohlen, bezüglich des „Drucks“, der gerade auf mir lastet, da morgen (für Euch also heute) mein Post hier erscheinen soll und es ihn derzeit noch nicht gibt 😉 Guter Hinweis, mal wieder durchzuatmen und nicht in Hektik zu verfallen, auch nicht in der Vorweihnachtszeit. Ich erzähle Euch nun also ganz entspannt, vielleicht etwas weniger profund als sonst, aber von Herzen kommend 😉 von dem Buch „Die Spur des Schweigens“ von Amelie Fried, das ich neulich beendet und für gut befunden habe. Es handelt von der Thematik um #metoo, was erst mal sogar die Protagonistin selbst tierisch nervt. „Kalten Kaffee“ nennt sie die Debatte, die zwar wichtig, aber zeitweise doch zu aufgeheizt war, weshalb die Stimmung auch immer wieder kippte. Plötzlich wurde jeder Blick gedeutet, jede flachsige Bemerkung auf die Goldwaage gelegt, der unverkrampfte Umgang (so er das zuvor denn war) zwischen den Geschlechtern war dahin … Sie ist Journalistin, leider nur für ein „Gesundheitsblättchen“ und nicht für eine renommierte Zeitung, und bekommt als einzige Chance – denn sie ist nur Freie -, in den nächsten Wochen mit einer größeren Story Geld zu verdienen, vom Chef den Auftrag, bei einem hoch angesehenen wissenschaftlichen Institut nachzuforschen, um das sich Gerüchte ranken, dass dort seit Jahren Frauen nicht nur schlecht behandelt, sondern tatsächlich sexuell belästigt werden, alles im Dienste der Forschung … Als Julia, so heißt die Hauptfigur, entdeckt, um welches wissenschaftliche Institut es geht, schrillen bei ihr die Alarmglocken. Es handelt sich um das Johannes-Löwe-Institut, bei dem auch ihr Bruder früher arbeitete. Ihr Bruder verschwand vor vielen Jahren, kam nie aus seinem Urlaub zurück, in den er alleine aufgebrochen war. Nie konnte aufgeklärt werden, ob es ein Unglück, ob es Mord war. Keine Leiche wurde gefunden und doch sprach alles dafür, denn seine Spur verlor sich dort an seinem Urlaubsziel … Und schon sind wir in den zwei Hauptsträngen der Geschichte angekommen: Zum einen das Hier und Jetzt, das für Julia und ihre Familie noch immer geprägt ist durch das Verschwinden des Bruders Robert, in dem es vorrangig aber darum geht, den Gerüchten um das Institut nachzugehen; zum anderen die Rückblicke in die Zeit, bevor Robert verschwand. Vom Aufbau her klassisch und wenig innovativ lernen wir in den Rückblenden so den im Hier und Jetzt nicht auftauchenden Robert kennen, der uns als eigentlich netter, aber auch ein wenig charakterschwacher Mensch präsentiert wird. In seiner Beziehung zu seiner ebenfalls am Institut arbeitenden Freundin Yema, einer Asiatin, wirkt er äußerst unbeholfen – aber nun gut, er ist ein Spätentwickler, sie ist seine erste Freundin. Auch die Sprache, die Amelie Fried wählt, um diese Schlaglichter auf die Vergangenheit zu werfen, ist eine merkwürdig einfache, wenig raffinierte. Während schrägerweise die Passagen des Hier und Jetzt im Präteritum geschrieben sind, formuliert die Autorin die Vergangenheit im Präsens – und es wirkt nach einem Kinderpräsens. Die Sätze sind kurz, plakativ, einfach. Vielleicht ist auch sein Gemüt so schlicht – das kann man nur vermuten, denn so genau lernen wir ihn nicht kennen. Auf alle Fälle macht er keine gute Figur in seiner Rolle als Boyfriend. Währenddessen tauchen wir in der Jetzt-Zeit in die Familiengeschichte Julias (und somit auch Roberts) ein. Die Eltern haben sich aufgrund des unerklärlichen Verschwindens des Sohnes komplett auseinandergelebt und schließlich verlässt der Vater die Mutter, obwohl zu diesem Zeitpunkt beide schon alt sind. Er ertrug ihre Art, mit diesem Schicksalsschlag umzugehen, nicht. Auch Julia hat ihre Probleme mit der Mutter, doch als brave – übriggebliebene – Tochter funktioniert sie und kümmert sich. Der Vater ist mittlerweile tot und die Mutter ist gesundheitlich nicht auf der Höhe – und auch Julia ist durch die Familientragödie lädiert, sie hat massive Schlaf- und Bindungsprobleme. Je tiefer sie sich in die Belästigungsvorwürfe gegen das wissenschaftliche Institut einarbeitet, desto unruhiger wird ihr Leben. Eine Liebesgeschichte bahnt sich an, wird von ihr aber, wie immer, muss man wohl sagen, im Keime erstickt, stattdessen lässt sie sich bei den Recherchen mit dem charmanten „Feind“ ein und gräbt sich damit selbst eine Grube, in die sie kurz darauf auch hineinplumpst … Von der Außenstehenden wird sie plötzlich selbst immer mehr zum Opfer und der Wettlauf mit der Zeit beginnt … Was Julia schlussendlich aufdeckt, hat weitreichende Folgen für die Gesellschaft in ihrer Stadt, das Renommee des Instituts und für sie selbst. Ein überraschend spannender Roman, fast Krimi, den ich von Frau Fried gar nicht erwartet hätte, da sie mir tatsächlich bislang nur als Moderatorin bekannt war. Kein Buch, das nachhaltigen Eindruck hinterlässt, aber gute Lektüre, um sich ein paar Stunden von der Wirklichkeit zurückzuziehen. Nichts wofür man sich schämen muss, auch gut geeignet als „harmloses“ Weihnachtsgeschenk für Bekannte, deren Lesevorlieben man nicht so gut kennt, die sich aber auf angenehmem Niveau unterhalten lassen wollen.