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daslesendesatzzeichen

Posted on 25.1.2021

Wer braucht Berlin, wenn er Hamburg haben kann 😉 Im vorliegenden wunderbar leicht zu lesenden Roman „Die Douglas Schwestern“ jedenfalls trifft sich die CrĂšme de la CrĂšme der Beauty-Welt und alles spielt hier, im verregneten Hamburg – und man vermisst das weltmĂ€nnische, umtriebige Berlin gar nicht, denn auch hier im hohen Norden steppte in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts der BĂ€r. DarĂŒber, woher die ParfĂŒmerie-Kette „Douglas“, auf die man ja europaweit stĂ¶ĂŸt, eigentlich kommt, habe ich mir bis dato nie Gedanken gemacht. Doch dann schneite dieses Buch in unsere Buchhandlung und mein Interesse war, trotz kitschigem Cover, geweckt. Charlotte Jacobi schreibt auf unterhaltsame Weise ĂŒber die Entstehung dieses ParfĂŒmerie-Giganten und fĂŒttert einen ganz nebenbei mit sehr viel Detailwissen aus der „Beauty-Welt“. Charlotte Jacobi ist ein Pseudonym fĂŒr zwei erfolgreiche Autoren, die unter demselben Pseudonym die in Hamburg sehr beliebte Reihe ĂŒber die „Villa am Elbstrand“ verfasst haben: Eva-Maria Bast und JĂžrn Precht. Auch hier wirkt das Werk wie aus einem Guss, einen Nachteil gibt es fĂŒr den Lesefluss nicht, dass hier zwei Leute an einem Strang zogen. Zum Inhalt: Anna und Maria Carstens sind von Kindesbeinen an von der Welt der feinen DĂŒfte fasziniert. Durch den Vater, einen erfolgreichen GewĂŒrzhĂ€ndler, stehen ihnen die TĂŒren und Tore zur Gesellschaft Hamburgs offen. Durch seine Kontakte kommen die mittlerweile zu jungen Frauen herangewachsenen Töchter ins GesprĂ€ch mit Menschen, die ihnen Impulse geben, Mut zusprechen und auch unternehmerisch beratend zur Seite stehen. Vor allem Maria, von allen nur Marie genannt, ist völlig vereinnahmt von der Idee, nicht (nur) eine brave Ehefrau zu werden, sondern Unternehmerin. Als die Großmutter der beiden stirbt, die immer ein offenes Ohr fĂŒr feministische Ideen und revolutionĂ€res Gedankengut hatte, hinterlĂ€sst sie den beiden ein ordentliches SĂŒmmchen, das per Testament nur fĂŒr das genutzt werden darf, was die beiden Frauen planen – es darf keinesfalls in eine Mitgift einfließen oder zur Ausrichtung einer Hochzeit genutzt werden. Maries Entschluss steht fest: Das ist ein Zeichen! Sie möchte nun die vielen trĂ€umerischen PlĂ€ne in die Wirklichkeit umwandeln – doch Anna ist zögerlicher. Sie ist verlobt und ihr ZukĂŒnftiger ist zwar modern, doch nicht so modern, als dass er es gutheißen wĂŒrde, dass seine Verlobte ein LadengeschĂ€ft fĂŒhren dĂŒrfte. Das erscheint ihm geradezu lĂ€cherlich! Und fĂŒr Annas Anteil vom großmĂŒtterlichen Erbe hat er eigentlich ganz andere PlĂ€ne 
 man könnte doch damit wirklich besser das Haus seiner Eltern renovieren 
 Anna entscheidet sich. FĂŒr die Liebe zum Duft und gegen den Verlobten. Die Carstens-Schwestern sind gut befreundet mit Berta Kolbe, der Gattin des reichen Unternehmers Gustav Kolbe, dem die Seifenfabrik „Douglas“ gehört. Sein Vater hatte das Unternehmen von der schottischen Familie Douglas, die in Hamburg ansĂ€ssig geworden war, gekauft und Sohn Gustav hatte es spĂ€ter ĂŒbernommen. Als sich nun klar abzeichnet, dass Anna und Marie ein LadengeschĂ€ft am Neuen Wall bekommen können, fehlt ihnen noch der richtige Name – und es kommt zum genialen Schachzug, die ParfĂŒmerie „Douglas“ zu nennen und dort neben edlen DĂŒften, die die Carstens-Sisters aus aller Welt heranschafften, auch die nicht minder edlen Seifen des Kolbe-Imperiums zum Kauf anzubieten. Das Konzept geht auf: Hamburg rennt den beiden Damen die TĂŒren ein. WĂ€hrend Marie die Unangepasstere ist und als Extrovertierte in Paris auf der Weltausstellung nach neuen DĂŒften und Kontakten sucht, bleibt Anna in Hamburg – und lernt die wahre Liebe ihres Lebens kennen. Wunderbar ineinander verwoben sind hier die Lebens- und Liebesgeschichten der beiden Frauen zusammen mit der Geschichte des Unternehmens. Und wen die beiden alles kennenlernten, vor allem Marie in Paris: Coco Chanel und François Coty sind nur ein paar der prominenten Personen, auf die sie treffen. Auch die russische Zarenfamilie lernen sie kennen und dĂŒrfen von GlĂŒck sagen, dass der Zarin das geschenkte ParfĂŒm gefĂ€llt. *****Achtung Spoiler!! ****** Doch, ach weh! Liest man das Buch zu Ende und lacht und weint mit den Carstens-Schwestern, bis sie endlich ihre Bestimmung gefunden haben, kommt das böse Nachwort, das einen schon Arges ahnen lĂ€sst, denn es ist ĂŒberschrieben mit folgendem Titel „Spuren der RealitĂ€t“. Tja, und was muss man nun erfahren? Dass leider so ziemlich alles, bis auf die groben Fakten, eher der Fantasie der Autoren entsprungen ist als der Wirklichkeit. All die plĂŒschigen, netten Details – pure Erfindung 😱. Das hat mich schon arg gestört. Ich hatte mir so viel von den Kontakten und Verbindungen der Carstens-Schwestern innerhalb Hamburgs gemerkt und wollte mein neu erworbenes Wissen in naher Zukunft immer schön hĂ€ppchenweise in Unterhaltungen einwerfen, um mit meiner Eloquenz zu strahlen – da hĂ€tte ich mich aber mal maximal blamiert 🙂 
 Leider gibt es von den beiden Schwestern nur extrem wenige biografische Eckdaten, die ĂŒberliefert sind, diese aber sind natĂŒrlich auch in diesem Buch enthalten. Und immerhin – alles, was hinzugefĂŒgt, gedichtet wurde, wurde gewissenhaft hinzugefĂŒgt. Im Nachwort beschreiben die Autoren, wo sie ĂŒberall recherchiert haben, wie sie bei ihrer Detailsuche vorgegangen sind. Und so kann man den beiden tatsĂ€chlich wenig vorwerfen: Das, was sie gemacht haben, haben sie gut gemacht. Mich hat nur enttĂ€uscht, dass ich wirklich erst durch das Nachwort und mit keiner Silbe auf der U4 oder dem Klappentext erfahren habe, dass es sich hierbei nicht um die romanhafte Biografie handelt, sondern um 80% pure, gute Fiktion. HĂ€tte ich das frĂŒher erfahren, hĂ€tte ich mich am Ende nicht so verĂ€ppelt gefĂŒhlt. SĂŒffiger Lesestoff mit Punkteabzug fĂŒrs „Schummeln“.

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