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mrsrabe

Posted on 24.1.2021

Irgendwo auf einer Insel liegt das Schöne Dorf. Dort herrscht ein patriarchales Regime. Die Gesellschaft lebt nach strengen religiösen Regeln. Männer leben dort bequem auf Kosten ihrer Frauen. Frauen haben dort keine Rechte, nur Pflichten. Diese machen die Arbeit, stehen auf dem Feld, kümmern sich um den Haushalt, die Herstellung von Kleidung, Nahrung. Während Männern nur das Singen und Kochen verboten ist, dürfen Frauen nicht einmal Lesen lernen. In diesem Schönen Dorf lebt die Protagonistin dieses Buches. Sie war ein Findelkind, in einem Karton auf den Stufen des Bethauses gelegt. Einen Namen darf sie nicht tragen, nur Schimpfnamen und Beleidigungen werden ihr nachgerufen. „So eine wie ich, sagen sie, so eine kann nicht von hier sein, so hässlich ist hier niemand, solche Mütter gibt’s hier nicht.“ Es ist eine spezielle Welt, die Karen Köhler hier in ihrem Roman Miroloi präsentiert. Es gibt hier vieles, aus vielen Welten, in denen Unterdrückung, religiöser Fanatismus, Fortschrittsverweigerung und toxische Gewalt gegen Frauen herrscht. Sie vermischt die Religionen - das Regelwerk der Gemeinschaft heißt bezeichnenderweise Khorabel, zum Gottesdienst Pujachatt gehören die heiligen Elemente Feuer, Wasser und Erde, die göttliche Trinität ist Zerstörer, Bewahrer, Schöpfer. Miroloi ist eine Dystopie und doch liegt die Insel mit dem Schönen Dorf nur eine Schifffahrt weit von unserer Welt in diese Parallelwelt entfernt. Abgeschieden, aber nicht abgeschottet. Es kommt der Händler von Drüben, der Arzt, sogar die Administration der Drübenwelt. „Schön habt ihr es hier, sagt er, sehr schön. Und so schön ruhig.“, sagt der Beamte von Drüben, der Welt, wie wir sie kennen. Und doch will er den Menschen auf der Insel Strom bringen. Eine Annehmlichkeit, die den Frauen Erleichterung ihrer täglichen schweren Arbeit bringen würde. Doch die Männer stellen sich dagegen, wollen ihre Stellung gegenüber den Frauen nicht aufgeben. Die namenlose Protagonistin beginnt sich gegen das Regime aufzulehnen. Von ihrem Ziehvater lernt sie heimlich Lesen und Schrieben. Obwohl sie eine Ausgestoßene ist knüpft sie kleine Freundschaften zu den Frauen im Dorf, erfährt sogar so etwas wie eine sexuelle Emanzipation. Sie verliebt sich in einen jungen Mann, die Beziehung muss selbstverständlich im Geheimen bleiben. Von ihm erhält sie auch einen Namen. Der junge Mann verwendet jedoch die Erzählerin nur zur sexuellen Befriedigung, wird sich aber nie für sie verwenden. All diese Gewalt, die Misogynie, das macht beim Lesen durchaus zornig, und doch findet sich in dem archaischen Gefüge nichts Neues, noch nie dagewesenes. Unterdrückten Frauen eine Stimme zu geben ist nie verkehrt, das soll so seien und bleiben. Doch welche Stimme bekommen wir hier zu hören? Das Miroloi ist der Totengesang, der zu Ehren eins verstorbenen Mitgliedes der Sekte im Schönen Dorf vorgetragen wird. Diese Ehre wird der jungen Frau im Mittelpunkt der Handlung nie zu Teil werden. So singt sie sich ihr Totenlied selbst. Dabei verfällt sie in eine von der Autorin gewollte naive Sprache, bildet neue Worte, die sich wie kindliche Versprecher lesen. Alltägliche Dinge, Körperteile, Nahrungsmittel, so wie wir sie kennen bekommen neue Namen. Dabei fehlt mir aber eine konsequente Verwendung. Wenn Tomaten, Gurken und Melanzani in Domates, Kurgetten und Melitzanes umbenannt werden, warum dürfen Zwiebel, Knoblauch und Oliven nicht auch umgetauft werden. Ist es Drübensprache oder schlicht Unaufmerksamkeit, wenn einer Frau auf den „Po“ gegriffen wird, dass sich eine werdende Mutter auf ihr „Baby“ freut. In dieser archaischen Welt ist doch gar kein Platz für diese neumodischen Begriffe. Fast schon amüsant finde ich, dass die Umweltverschmutzung, die von Drüben kommt, dann für die Protagonistin einen Weg in die Freiheit bedeuten könnte. Miroloi gipfelt in einem furiosen Finale. Das Ende scheint offen zu bleiben, sowohl, was das Schicksal der Gemeinschaft als auch das Schicksal der Protagonistin, anbelangt. Doch sollte man nicht vergessen, was das Miroloi ist: ein Totengesang.

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