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Posted on 24.1.2021

Spannend und intelligent Niels Oxen hat während seiner Karriere bei der Armee Dinge gesehen, die er nicht vergessen kann. Gezeichnet vom Tod seines besten Freundes und den Gräueln, die z.B. bei den Konflikten auf dem Balkan an der Bevölkerung verübt wurden, will er mit seinem Hund als Aussteiger im Wald leben und seine Ruhe haben. Eines Tages erkundet er aus Neugier das Grundstück des Schlosses, zu dem auch der Teil des Waldes gehört, in dem er sein Lager aufgebaut hat. Wenige Tage später ist der dort ansässige ehemalige Botschafter und einflussreiche Gründer eines Thinktanks Hans-Otto Corfitzen ermordet worden und Oxen gerät ins Visier der Ermittler. Bald wird klar, dass der Fall in eine Reihe von Morden passt, bei denen zunächst die Hunde der Opfer getötet wurden. Der Leiter des dänischen Geheimdienstes engagiert Oxen als inoffiziellen Ermittler, scheint aber selbst nicht ganz mit offenen Karten zu spielen. Es ist dem Autor gut gelungen, Figuren zu erschaffen, die zwar bestimmten Typen entsprechen, aber dennoch weitgehend frei von Klischees sind und damit authentisch wirken. Besonders Margrethe Frank, die als Mitarbeiterin des Geheimdienstes ein Auge auf Oxen haben soll, wird sehr überzeugend dargestellt. Bei einem Einsatz verlor sie einen Teil ihres Beins und hat ebenfalls mit PTBS zu kämpfen – trotzdem ist sie eine starke Frau, ohne dabei ihre feminine Seite einzubüßen. Weiterhin war ich sehr erleichtert, dass man in diesem ersten Band mit der obligatorischen seichten Romanze zwischen Ermittlern verschont wird. Oxen und Margrethe nähern sich zwar an, alles geschieht aber in einem für die Situation und ihre Charaktere angemessenen Tempo, sodass die Entwicklung einer glaubwürdigen Beziehung in den Folgebänden möglich ist. "Das erste Opfer" ist äußerst spannend geschrieben, die Sprache bewegt sich auf einem gehobenen Niveau, ohne prätentiös zu werden. Gewalt wird auf eine sophistizierte Weise beschrieben, was zur Selbsteinschätzung des Autors passt, der sagt, dass sein Schwerpunkt eher auf raffinierten Intrigen liegt als auf roher Gewalt; auch die sonst in diesem Genre ausufernden Kraftausdrücke kommen kaum vor. Stattdessen wartet das Buch mit interessanten Wendungen und Verflechtungen und intelligenten Gesellschaftsanalysen auf, wobei es leider nicht immer einfach ist, sich zu merken, wer denn nun wem wie viel verraten hat und wer was theoretisch noch nicht wissen dürfte. Schade ist, dass englische Ausdrücke, wie oft heutzutage, nicht übersetzt werden. Da in diesem Buch nicht bloß Floskeln wie „Hi, how are you?“ vorkommen, sollte man schon Rücksicht darauf nehmen, dass heute noch lange nicht alle Leser Englisch verstehen. So vielversprechend der Start dieser Reihe ist, so schlecht finde ich das Marketing des Buches. Schon der Titel – im Original "De hængte hunde" (dt. Die erhängten Hunde) – führt die Leser in die Irre. Was für ein erstes Opfer? Im Buch gibt es mehrere und das erste hat keine besondere Bedeutung. Klappentext und Cover suggerieren zudem eine Mystik, die nicht da ist. Man vermutet eine andere Art von Geheimbund, mehr in Richtung mörderischer Kult und weniger Politik und Wirtschaft. Wer Mystik erwartet, wird aber enttäuscht sein, dass die Geschichte in Wahrheit so bodenständig ist – wenn auch sehr spannend erzählt. Ich bin dennoch gespannt auf die Entwicklung, die die Reihe in den Folgebänden nimmt: eine empfehlenswerte Lektüre!

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