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„...Er pickte einen Kiesel auf, wischte ihn an seinen Beinkleidern ab und steckte ihn in den Mund. Der Stein würde seinen Sinnen vorgaukeln, das es etwas zu essen oder zu trinken gab, das hatte ihn der Vater erklärt...“ Vincent ist der älteste Sohn des Zimmermanns und Festungsbauers Wim Aardzoon. Doch die guten Zeiten sind vorbei. Seit dem Tod der Mutter und den fehlenden Aufträgen haben sie zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel. Die Belagerung von Antwerpen durch die spanische Flotte sorgt für Hunger in der Stadt. Trotzdem hält Vincent an seinem Traum fest. Er möchte Architekt werden. Sein Vater fördert die Begabung des Sohnes. „...Gott hat die Welt geordnet mit Maß, Zahl und Gewicht. Alles ist auf geometrische Formen zurückzuführen...“ Nachdem Antwerpen an die Spanier gefallen ist, fliehen Wim und seine Familie, die reformierten Glaubens sind, nach Amsterdam. Die Autorin hat einen fesselnden und abwechslungsreichen historischen Roman geschrieben. Die exakte Recherche ist in jeder Zeile spürbar. Der Schriftstil ist ausgefeilt. Dazu gehört auch, dass sowohl Begriffe der Zeit als auch der Landessprache eingeflochten werden. Einerseits darf ich Vincent und seine Geschwister Ruben und Betje einige Jahre ihres Lebens begleiten, andererseits erlebe ich den Aufstieg Amsterdams zu einer Handelsmonopole. Die Personen werden gut charakterisiert. Vincent ist schon in jungen Jahren ernsthaft und zielbewusst. Ruben ist der Rebell in der Familie. Regeln sind dazu da, um gebrochen zu werden. Betje, die Jüngste, hat ein großes Herz und Mitgefühl für diejenigen, den es noch schlechter geht als ihr. Beim Lesen weidet sich der Blick über Amsterdam hinaus. Spanien, England, Schottland, Frankreich sowie ihre gegenseitigen Konflikte und die Gemengelage der Interessen an den Niederlande werden gekonnt ins Geschehen eingebunden. Glaubenskämpfe im Licht von Fanatismus und Toleranz finden nicht nur in Gesprächen statt, sondern bestimmen das Tun und Handeln der Protagonisten. Vincent findet Lehrmeister, die ihn vorwärtsbringen. Besonders Meister Bilhamer spart nicht mit guten Ratschlägen: „...Wenn du Architekt werden willst, musst du wahrnehmen lernen. Du musst die Welt mit anderen Augen sehen. Dann erst fertigst du deinen Entwurf an...“ Ruben dagegen verdingt sich als Schiffsjunge. Sein Tagebuch beschreibt die Strapazen der ersten Ostindienreise. Die äußere Spannung des Buches resultiert aus dem Kriegsgeschehen, die innere dagegen aus den komplexen Beziehungen der Protagonisten. Hinzu kommt, dass die Einheimischen zum Teil nicht erfreut waren über die Masse der Kriegsflüchtlinge. Ihre Argumente sind bis heute aktuell. Es ging um die Angst um den Erhalt der Arbeitsplätze und um preiswerten Wohnraum. Das viele der Neuankömmlinge für den Aufstieg der Stadt aus der Bedeutungslosigkeit mit verantwortlich waren, denn sie brachten vor allem aus der Handelsstadt Antwerpen ihr Knowhow mit, würde von Ewiggestrigen übersehen. Detailgenau darf ich den Ausbau Amsterdams verfolgen. Diskussionen der Verantwortlichen um Möglichkeiten der Erweiterung des Stadtgebietes und das Aufkommen neuer Ideen und Technologien wird gekonnt mit der Handlung verwoben. Weniger detailliert werden die Schlachten des Krieges beschrieben. Die Grausamkeiten werden angedeutet, ohne in die Tiefe zu gehen. Gut so! Ein Personenverzeichnis, ein Glossar und Anmerkungen der Autorin ergänzen die Geschichte. In den Umschlagseiten findet sich eine historische Karte. Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen.