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monikafuchs

Posted on 22.1.2021

Wow, was für eine starke und kämpferische Frau!   Ich war begeistert, als ich entdeckte, dass der Goldmann Verlag eine Autobiografie Megan Rapinoes ankündigte. Gleichzeitig habe ich mich aber gefragt, was diese amerikanische Fußballerin uns Deutschen eigentlich zu sagen haben könnte. Ob dieses Buch auf dem deutschen Markt eigentlich eine Chance hat, außerhalb der Fans der Weltfußballerin von 2019 wahrgenommen zu werden. Nachdem ich dieses Buch nun gelesen habe, bin ich davon überzeugt, dass dieses Buch möglichst viele Leser*innen finden sollte. Megan Rapinoe hat zwar ein typisch amerikanisches Buch geschrieben, aber sehr viel davon lässt sich auch auf Europa und Deutschland übertragen. Sie ist eine Kämpferin gegen Ungerechtigkeit und Ungleichheit. Und davon gibt es auch bei uns genug.   Meine „Beziehung“ zu Megan Rapinoe begann eigentlich ganz banal. Meine Frau ist Fußball-Fan. Dazu gehören für sie auch die Spiele der Frauen-Nationalmannschaften. Ich gucke dann oftmals mit, habe aber von Fußball relativ wenig Ahnung. Ich gebe es zu, gerade bei den Frauen gucke ich mir oftmals mehr die Frauen an, als dass ich ihre fußballerischen Leistungen beachte. Und da ist mir 2011 während der Frauen-WM in Deutschland eine kleine, kämpferische, blonde Amerikanerin aufgefallen – Megan Rapinoe. Was ich da sah, gefiel mir ausgesprochen gut. Wir waren dann tatsächlich am 10.07.2011 live in Dresden bei dem Viertelfinalspiel Brasilien : USA, und ich konnte die Fußballerin live bewundern. Sie war sogar zusammen mit Abby Wambach spielendentscheidend, denn von ihr kam der Pass in der Nachspielzeit, den Abby Wambach zum 2 : 2 verwandelte. Danach habe ich nur noch mitbekommen, dass sie eine Zeitlang bei Olympique Lyonnais gespielt, sich aber dort nicht wohlgefühlt hat. Dann kam die Frauen-WM 2019, wo sie schon sehr früh bekanntgegeben hat, dass sie definitiv nicht ins Weiße Haus gehen wird. Und nun habe ich ihre Geschichte gelesen und bin tief beeindruckt von dem politischen Engagement dieser Frau. Meine Frau kann es schon gar nicht mehr hören, wenn ich ihr andauernd erzähle, Megan hat dies und Megan hat das gemacht!   Das Buch beginnt gleich ausgesprochen interessant und intensiv. In dem Vorwort erklärt sie, warum sie dieses Buch geschrieben hat und was sie damit bewirken möchte. Dann kommt die Einleitung, in der sie von einem Erlebnis erzählt, was fast ihr Karriereende hätte sein können – denn sie war die erste weiße Sportlerin, die beim Abspielen der Nationalhymne kniete, um mit den PoC Solidarität zu zeigen. Allein auf Grund dieser beiden Kapitel war ich bereits angefixt von diesem Buch. Danach erzählt sie chronologisch von ihrem Leben und ihrer Entwicklung – sowohl ihrer fußballerischen Karriere, ihres Coming-Outs und ihrer Liebesgeschichten, sowie ihres politischen Erwachens. Sie spart ihre Familie nicht aus und erzählt auch Fakten, die manch anderer wahrscheinlich lieber unter den Teppich gekehrt hätte. Bei ihren Liebesgeschichten bleibt sie aber immer fair und verrät nicht zu viel.   Mich hat die Sprache begeistert, die nicht so hochgestochen daherkommt, sondern ganz authentisch wirkt. Hier muss ich auch den Übersetzern ins Deutsche Elke Link, Andrea O'Brien, Jan Schönherr ein großes Lob aussprechen. Ich liebe z.B. so einen Ausspruch wie „Heilige Scheiße, waren die Leute angepisst!“ Das lässt das Ganze so absolut echt wirken.   Und natürlich gibt es auch einen großen Bildteil, der sogar beim Tolino gut rüberkommt. Es hätten aber mehr Bilder sein können. So gebe ich zu, dass ich während des Lesens immer mein Tablet zur Hand hatte, um viele Dinge in Text, Bild oder Video nachzugucken. Da gibt es ja soviel zu entdecken, was im Buch leider nicht abgebildet wird.   Das für mich aber beeindruckendste an diesem Buch ist die klare politische Haltung der Autorin, die manchmal schneller handelt, als es bis ins Kleinste zu überdenken. Ihr geht es darum, dass alle Menschen gleich sind, egal welche Hautfarbe, welches Geschlecht oder welche sexuelle Orientierung sie haben. Nur die Religion scheint in Amerika weniger eine Rolle zu spielen, denn dazu hat sie sich (noch?) nicht geäußert, obwohl sie selbst als Katholikin aufgewachsen ist und ihre Verlobte, die Basketballerin Sue Bird, einen jüdischen Vater hat. Sie nutzt ihre Popularität, um ihre Finger in die Wunden der amerikanischen Gesellschaft zu legen. Und sie hat auch keine Scheu davor anzuecken. Sie empfindet es sogar als ihre Pflicht, ihr Popularität dafür einzusetzen. Sie weiß aber auch, dass sie es sich als Weiße erlauben kann. Colin Kaepernick, Quarterback bei den San Francisco 49ers, hat seit seinem Kniefall 2016 keinen neuen Verein mehr gefunden!   Vieles, wovon sie berichtet, mag auf den ersten Blick sehr amerikanisch wirken, aber ich denke, dass wir in Good old Europe ebenfalls aufpassen müssen, nicht weiter zu Rassisten zu werden. Bei ist es vielleicht weniger die Hautfarbe, dafür aber die Religion und die Herkunft der Menschen. Und das Thema Gender Pay Gap ist auch bei uns immer noch nicht ausreichend ausgemerzt worden. 2019 haben Frauen in Deutschland immer noch 20 % weniger verdient als die Männer!   Ein Buch, in dem es also nicht nur um Fußball geht, sondern auch ganz viel darum, was auf der Welt gerade schiefläuft und was wir dagegen tun können. Ein Buch, was mich sehr nachdenklich gestimmt hat. Ich danke Megan Rapinoe dafür, dass sie uns die Augen dafür geöffnet hat. Ich wünschte, sie würde nach Deutschland zu einer Buch-Promo kommen, bei der Dunja Hayali die Gastgeberin und Interviewerin geben würde. Das müsste absolut großartig sein.   (Wenn ich es richtig verstanden habe, wird das US-Hörbuch von der Autorin selbst eingelesen. Mal gucken, ob ich versuchen werde, es zu verstehen. Ich habe aber so meine Bedenken, denn sie spricht doch sehr amerikanisch. Im Moment ist das Hörbuch allerdings noch nicht lieferbar.)

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