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monikafuchs

Posted on 22.1.2021

Charlotte Roth ist inzwischen seit ihrem ersten Roman „Als wir unsterblich waren“ aus dem Jahr 2014 eine Autorin, bei der ich mich immer auf ihre Bücher freue. Und da ist es mir auch egal, unter welchem Pseudonym sie gerade schreibt. Ihre Romane zeichnen sich dadurch aus, dass sie geschichtliche Hintergründe mit spannenden Geschichten verknüpft. Zumeist sind es Romane, die sich mit dem 3. Reich beschäftigen. Aber nicht alle. „Grandhotel Odessa“ zählt zu den anderen Romanen.   So hat mich dann auch die Inhaltsangabe des neuen Romans überrascht. Die Geschichte spielt nämlich in einer für die Autorin ungewöhnlichen Zeit an einem ungewöhnlichen Ort. Sie spielt 1886 bis 1918 in Odessa, einem mondänen Badeort am Schwarzen Meer in Neurussland. Und der eigentliche Star des Romans ist das Grandhotel Odessa, das erste Haus am Platz, und sein Personal:   -        Philipp Liebenthal ist der Gründer des Hotels, der nur für sein Hotel zu leben scheint. Das Hotel war sein Jugendtraum, und er hat ihn gegen alle Widerstände durchgesetzt. Seine Ehefrau ist nicht die Frau, die er liebt. Und auch seine Tochter Oda ist für ihn nicht das Kind, was er gerne gehabt hätte. Dafür vergöttert er ihre Wahlschwester Belle. -        Die spröde Oda ist so ganz anders als ihre Wahlschwester Belle. Oda ist ehrgeizig und brennt für ihre Ziele. Auch für sie ist das Hotel alles. Sie möchte so gerne die Liebe ihres Vaters erringen. Ob sie hübsch oder apart ist, geht aus dem Roman nicht hervor. -        Belle, die Tochter von Sigrid von Arndt, ist dagegen eine echte Schönheit, der alle Herzen zufliegen, ohne dass sie etwas dafür tun muss. Dafür lebt sie in den Tag hinein und lässt es sich gut gehen. Als Kinder verstanden sich Oda und Belle sehr gut, sind trotz ihrer Unterschiede beste Freundinnen. Doch das ändert sich im Laufe der Jahre. -        Bodo von Arndt ist der größere Bruder von Belle. Ein junger Soldat, der immer zu Scherzen aufgelegt ist. -        Karol Albus ist der Mann, dem Odas Herz gehört. Eine tragische Gestalt. -        Tessa ist die Zwillingsschwester von Philipp, die eines Tages mit ihren beiden Kindern wieder im Hotel auftaucht. -        Lidija Petrowna Bezborodko ist eine adelige Russin, die vor frühen Unruhen aus Russland geflohen ist. Sie lebt in der besten Suite des Hotels und wird eine enge Vertraute, mütterliche Freundin und Ratgeberin für Oda. -        Leo Ullrich ist ein Autor eines Romans, der für einen Skandal gesorgt hat. Er lebt ebenso wie Lidija Petrowna Bezborodko dauerhaft in dem Hotel. -        Katjusa, die Kaltmamsell, stellt einfach köstliche kalte Platten zusammen. Sie und ihre uneheliche Tochter Sonya umgibt ein Geheimnis. -        Weitere Hotelangestellte, die der Familie treu ergeben sind. -        Anselm Fleißer, Odas Vetter, wird im Laufe der Geschichte noch sehr wichtig. -        Und einige weitere Stammgäste.   Hauptsächlich folgen wir der Geschichte Odas. Ihr Kampf um und für das Hotel, für das sie alles aufgegeben hat. Doch wird ihr Vater in ihr auch die Nachfolgerin sehen, die sie so gerne sein möchte. Oder wird sie einmal mehr von ihrem Vater enttäuscht werden? Natürlich geht es in diesem Roman auch um die Liebe, aber anders als man es sich vielleicht vorgestellt hat.   Wir ziehen als Leser*innen in ein wundervolles Hotel, in dem alles auf das feinste abgestimmt ist. Wir nehmen an großen Feiern teil und lernen die Gäste und das Hotelpersonal kennen. Doch dann brechen ab 1914 schlechte Zeiten an. Wie wird das Grandhotel Odessa und seine Bewohner den 1. Weltkrieg und die russische Revolution überstehen? In diesem Zusammenhang wird Bodo von Arndt besonders wichtig für die Geschichte. Hatte ich bis dahin doch die geschichtlichen und politischen Hintergründe weitestgehend vermisst, so bekommen wir nun Einblicke in den 1. Weltkrieg, denn durch Bodo von Arndt erfahren wir, wie es in den Schützengräben zuging. Und dann bekommt Bodo noch eine Sonderaufgabe. Seien Sie gespannt.   Mich hat an diesem Roman die Geschichte um das Hotel gefesselt. Immer wieder einmal geht Charlotte Roth in der Zeit zurück. Wir erfahren Stück für Stück, wie Philipp Liebenthal es ohne eigenes Kapital geschafft hat, sich seinen Traum zu erfüllen. Doch auch am Ende des ersten Bandes sind noch nicht alle Geheimnisse gelüftet. Und speziell Oda weiß nichts von diesen Geheimnissen. Ich bin gespannt, ob wir und Oda am Ende des zweiten Bandes alle Geheimnisse kennen.   Dieser Roman ist für mich weniger ein typischer Charlotte Roth Roman. Die Geschichte erinnerte mich eher an die Romane, die sie als Lydia Conradi geschrieben hat. Besonders an „Das Haus der Granatäpfel“ musste ich in diesem Zusammenhang häufiger denken, denn Odessa ist wie auch Smyrna ein Schmelztiegel verschiedenster Nationalitäten und Religionen.   Ich habe diesen Roman mit viel Freude gelesen und war immer wieder gespannt, ob Oda es schafft, dass das Hotel in ihren Händen bleibt. Allerdings ist mir dieses Mal der geschichtliche Hintergrund etwas zu sehr in den Hintergrund gerückt. Ich bin gespannt, wie sich das im zweiten Band „Der Garten des Fauns“, der am 01.03.2021 erscheint, weiterentwickelt.

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