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maria13

Posted on 19.1.2021

Dieser Buchtipp ist eigentlich ein Teil drei. Wobei die ersten zwei Teile fehlen, denn diese beiden Bücher habe ich mir gar nicht gekauft, weil aus ihnen schon so häufig zitiert wurde. Und außerdem fand ich, dass es endlich Zeit wurde, sich den Ritualen kreativer Frauen zuzuwenden … Wovon rede ich hier?! Von den „Musenküssen“, der bislang dreiteiligen Reihe, die im Verlag Kein & Aber erschienen ist: die täglichen Rituale berühmter Schriftsteller:innen und anderweitig kreativer Menschen. Geschrieben hat die kurzen, prägnanten, gut recherchierten und oft amüsanten Kurz-Porträts der US-amerikanische Journalist und Redakteur Mason Currey. Die Texte erschienen ursprünglich in Zeitungen wie „New York Times“ oder „Slate“. Aus seinem beliebten Blog „Daily Routines“ entstanden die Bücher der Musenküsse-Reihe. Jedes der kleinen Büchlein trägt einen Extra-Musenkuss-Tipp schon im Titel. Erst mit Blick auf schreibende Männer: „Für mein kreatives Pensum gehe ich unter die Dusche“. Dann mit Blick auf kreative Männer und Frauen: „Am kreativsten bin ich, wenn ich bügle“. Da versammeln Mason Currey und Arno Frank Rituale von Schriftstellern, Malern, Philosophen, Architekten, Komponisten und anderen kreativen Berühmtheiten in pointierten, amüsanten und überraschenden Mini-Biografien. Immerhin: von Männern UND Frauen. 2019 erschien dann „Mein kreatives Geheimnis sind bequeme Schuhe“ – hier geht es ausschließlich um kreative Frauen: nicht nur um Autorinnen, sowohl lebende wie lang verstorbene, sondern auch um Malerinnen, Musikerinnen, Modeschöpferinnen, etwa: Isabel Allende, Tania Blixen, Coco Chanel, Marlene Dietrich, Marguerite Duras, Elena Ferrante, Miranda July, Käthe Kollwitz, Doris Lessing, Hilary Mantel, Clara Schumann, Patti Smith oder Virginia Woolf. Musenküsse, Rituale und Eigensinn Ich habe das Buch vor allem im Hinblick auf meinen zweiten Band der Trilogie des Eigensinns nach Spuren von – nun, eben Eigensinn – hin untersucht. Und bin mehrfach fündig geworden. Die großartige Hillary Mantel habe ich dabei sogar ganz neu entdeckt. Denn das, was zu ihren Überlegungen und Schreibroutinen gehört, gefiel mir so gut, dass ich sie nicht nur prompt lesen, sondern auch zitieren musste. Die 1952 geborene Autorin wird von Currey mit der Erkenntnis zitiert, wie fremd es ihr sei, dass manche Autor:innen Bücher „so gleichmäßig aus sich herausdrücken wie Zahnpasta aus der Tube“. Da denke sie immer, solche Kolleg:innen hätten einen ganz anderen Beruf als sie. Hillary Mantels Arbeitsweise ist fundamental anders: Sie unterwirft sich „einem Prozess, dessen Anfang und Ende unbestimmt und dessen Fortschritt überhaupt nicht messbar ist. Ich schreibe nicht chronologisch. Es kommt vor, dass zehn verschiedene Versionen einer Szene existieren. Mal verbringe ich eine Woche damit, ein Bild oder ein Leitmotiv in die Geschichte einzuflechten, ohne dass der Plot dabei auch nur im Geringsten vorangetrieben wird. Ein Buch wächst nach einem raffinierten, ausgeklügelten Muster. Das ich erst ganz am Ende erkenne.“ Für mich ein erkennbares Muster im eigensinnigen Schreiben, denn in dem Kapitel, in dem das Zitat vorkommt, frage ich vor allem: „Plotten oder drauflosschreiben?“ Und antworte – etwas lapidar – mit: „Die Frage müssen wir alle selbst beantworten. Ein Patentrezept gibt es nicht.“ Doch mit Blick auf den Eigensinn habe ich durchaus ein Credo – und das deckt sich absolut mit den Überlegungen von Hillary Mantel: „Lassen Sie sich also bitte niemals einreden, dass Sie nur dann gut schreiben könnten, wenn Sie nach bestimmten Mustern plotten, Schritt eins bis X eines exakten Vorgabeplans akribisch befolgen. Fragen Sie sich bei solchen ‚Anleitungen‘ lieber: Was sagt mein Eigensinn zu solchen Zahnpastatuben-Drück-Rezepten?“ Der Eigensinn des Schreibens Ich fand aber noch andere Lieblingsstellen in diesem Büchlein. Etwa Marguerite Duras. Sie hatte regelrecht Angst vor dem Schreiben: „Wenn ich schreibe, fürchte ich mich; es ist, als würde alles um mich herum einstürzen.“ Darum waren auch Routinen nichts, was ihr hätte helfen können – sie schrieb wie besessen, etwa acht Monate lang „ohne Pause von fünf Uhr morgens bis elf Uhr abends“. Ein extremes Beispiel für schreibenden Eigensinn. Und für meine These, dass eigensinnige Bücher einfach etwas sind, das geschrieben werden MUSSTE. Alice Walker belegt eine andere meiner Thesen – den Prozess der Kreativität des Schreibens. Bei dem eine äußerst wichtige Station die Phase ist, in der eine Idee „reifen“ muss – von Kreativitäts-Theoretiker:innen gern auch als „Inkubationszeit“ der Kreativität bezeichnet. Bei Alice Walker konnte das bis zu zwei Jahren dauern. Erst danach konnte sie mit dem Schreiben beginnen. Erst dann hatte sie genügend „Platz“ für diese eine Idee, die da herangereift war. Sie sagt: „Um einen Gast einzuladen, somit also auch die Kreativität, muss man erst einmal Platz schaffen.“ Manche Routinen sind besser als ihr Ruf Miranda July – die neben vielen anderen kreativen Beschäftigungen auch Autorin ist – unternimmt gern und regelmäßig ausgedehnte Schreibspaziergänge, denn im Sitzen habe sie immer „nur eine begrenzte Anzahl an guten Ideen“, sagt sie. Auch den Trick, nicht vorrangig ans Schreiben zu denken, wendet sie dabei gern an: „Im Prinzip geht es darum, sich einzureden, daß man bloß die frische Luft genießt und höchstens kurz überlegt, wie die und die Figur das und das macht.“ Damit ergänzt sie sehr schön, was ich ohnehin schon alles an Schreib-Routinen zusammengetragen hatte: „Manche Routinen sind besser als ihr Ruf“, heißt das entsprechende Kapitel in meinem Buch „Wer schreibt, darf eigensinnig sein„. Doch, wie gesagt: Mit den Büchern aus der Reihe der Musenküsse werden diese Beispiele noch um einige oft durchaus amüsante Anekdoten bereichert.

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