Gabriele
Der Kindheit kann man nicht entkommen „Alles, was ich tue, dient dazu, ihr [der Mutter] zu gefallen, sie zum Lächeln zu bringen, ihren Zorn abzuwenden“, schreibt Tove Ditlevsen über ihre frühe Kindheit. Genau wie der Vater liebte sie Bücher und hatte sich schon vor der Schulzeit selbst das Lesen beigebracht. Die am 14. Dezember 1917 geborene Autorin verlebte eine armselige Kindheit mit einer unberechenbaren Mutter und einem lange Zeit arbeitslosen Vater. Schon mit fünf Jahren wollte sie Dichterin werden. Ihre frühreifen, sinnlichen Ergüsse hielt sie in einem Poesiealbum fest und schenkt uns Lesern Kostproben davon. Später gibt sie zu: „Selbst wenn sich niemand sonst für meine Gedichte interessiert, bin ich gezwungen, sie zu schreiben, denn sie dämpfen die Trauer und Sehnsucht in meinem Herzen.“ Wie dem Anhang zu entnehmen ist, nahm sich die Autorin mit 58 Jahren das Leben. Dieser erste Teil ihrer dreiteiligen Autobiografie ist so mitreißend geschrieben, dass ich ihn am liebsten ohne Pause verschlungen hätte. Ihre Familie wird darin ebenso lebendig wie die direkte Umgebung der kleinen Wohnung. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge schaut Tove Ditlevsen auf die Zeit zurück, in der ihr „die Welt der Erwachsenen wie ein Mysterium“ vorkam. Auf eine Zeit, in der sie mit ihrer Freundin – zum Glück nur kurz - auf Abwege geriet. Leider folgten die Eltern dem Vorschlag ihrer Lehrerin nicht, sie das Gymnasium besuchen zu lassen. Für sie bedeutete die Konfirmation den „Grabstein einer Kindheit, die mir jetzt hell, geborgen und glücklich vorkommt.“ Nach diesem ersten Teil fiebere ich dem zweiten, der „Jugend“, entgegen.