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Posted on 18.1.2021

Wildlife Gardening von Dave Goulson Ullstein Wer ein praktisches Gartenbuch zum Erhalt der Artenvielfalt mit schnell umsetzbaren Tipps erwartet, sollte nicht dieses Buch aus der Sicht des britischen Insektenforschers Dave Goulson nehmen. Trotzdem gibt es auch viele Ratschläge von ihm, aber auch einige verstörende Fakten. Spannende Beschreibung seines vielfältigen Gartenlebens und auch seiner Forschungen. Über den Text des Covers habe ich mich gleich etwas geärgert. Jeder Verlag braucht wohl ein Weltretter-Buch, hier + Die Kunst im eigenem Garten die Welt zu retten. Retten gleich dreimal auf dem Cover. Wie naiv kommt das denn daher; genau genommen geht es um ein paar einfache Regeln, die es zu beachten gilt. Also keine Kunst, sondern viel Arbeit und viele kleine Schritte, die sich gelohnt haben, wenn die ersten Bienen und Schmetterlinge kommen. Gefallen hat mir an diesem Buch, das es mit Illustrationen vor jedem Kapitel gefüllt ist. Naturforscher Goulson hat auch einige seiner Lieblingsrezepte eingebracht aus seinen Ernteerfolgen z. B. Quitten-Crumble. Es ist ein Buch für naturwissenschaftlich interessierte Leser*innen mit viel Text und Details, aber auch mit sehr unterhaltsamen Passagen: Als Leserin macht man einen Ausflug in einen englischen Gartencenter mit Hinweisen, was man besser nicht kauft. Ähnlich wie bei uns. In seinem Garten kann er wirklich etwas bewegen, die Artenvielfalt erhalten und fördern. Das ist auch für ihn ein gutes Gefühl. „Naturgärtnern ist ganz einfach.“, schreibt er und berichtet dabei viel über Pioniere der Artenvielfalt-Forschung, z.B. über Jennifer Owen aus Leicester. Der Leser geht mit ihm auf Artenvielfalt-Abenteuer in Großbritannien, zu den winzigen nützlichen Tieren und wichtigen Pflanzen, die nur bestimmten Raupen als Nahrungsquelle dienen. Die Raupen des Aurorafalters fressen am liebsten die Samenhüllen des Wiesenschaumkrautes, aber wo wächst das noch? Sehr selten und es wird auch bei uns und drüben in Old England einfach viel zu früh, zuviel abgemäht. Auch in meinem Garten gibt es inzwischen den hübschen Aurora-Falter jährlich, einige Pflanzen halte auch ich nur für ihn. Zwischendurch steigt Gideon tief ein, berichtet über Senfölglycoside, die Pflanzen selbst entwickeln. Über manches muss man mutig drüber hinweg lesen, wenn es um Details in der Evolution der Pflanzen geht. Auch die großen Diskussionen unter Naturwissenschaftlern werden nicht verschwiegen: heimische oder nicht heimisch Sorten. In Großbritannien wurde festgestellt, es gibt in den meisten Gärten einen Mix aus einem Drittel heimischen Blütenpflanzen und zwei Dritteln nicht heimisch. Für ihn ist auch das europäische Festland nicht heimisch, viele sind aus Asien. Die Gärtner*innen haben also eine Auswahl von 70000 Sorten und über 14000 Arten. Das ist bei uns ähnlich schwer die richtige Auswahl. Aber er sagt uns: Jede Pflanzen ist besser als Beton. Nett ist das Kapitel über die Gartenwiese bzw. den Rasen, den englischen Rasen. Alles vergessen, was man zur Rasenpflege kaufen kann. Denn hier fängt das Mini-Rewilding-Projekt für ihn an. Weniger mähen und es gibt erstaunlich viele Blühpflanzen für Insekten im Rasen, wenn man sie blühen und länger stehen lässt. Da zitiert er aus einer Studie von Ken Thomson aus Sheffield mit 159 gefundenen Blühpflanzen in 52 Rasenflächen. Fantastisch, wenn auf dem Rasen Löwenzahn, Hahnenfuß und Weiß- und Rotklee und vieles mehr blüht. Die vielen Details, die der Autor und Forscher anführt, können einem beim Lesen den Atem stocken lassen. Wer kein Fan von Ohrwürmern bzw. Ohrenkneifern ist, kann das Kapitel auch überschlagen oder später lesen. Der Giftcocktail heißt das Kapitel über die verheerenden Auswirkungen des weltweiten Pestizid- und Insektizid-Einsatzes, diese Fakten der Artenvielfalt-Vernichtung machen einen sprachlos, wirklich verstörend. Aber geht leider nicht, das wir dabei wegschauen, auch das sollte man lesen. Überhaupt ein Buch, das man kapitelweise erst verdauen muss. Die Wildbienen, die Bedeutung der Nachtfalter, Ameisen und das Wimmeln der Würmer. Ab Seite 255 dann endlich das Kapitel über die Rettung des Planeten im Garten. Es folgt seine Liste der 16 wichtigsten Blühpflanzen für den Garten, kann sich sehen lassen. Ein Kapitel über die wichtigsten Beerensträucher für Vögel sowie eine Anleitung zum Bau einer Wurmfarm fehlt auch nicht. Schade, das seine Liste der einheimischen englischen Obstsorten bzw. Apfelsorten nicht übersetzt wurde ins Deutsche, aber „Alte Obstbaumsorten“ googlen und schon ist man weiter. Die Länge meiner Rezension entspricht diesen 300 Seiten Buch mit umfangreichem Register und max. 10pt Schrift. Ein Buch für die Gartenbücher-Bibliothek, nicht so schnell durchgelesen, es reicht auch für die übernächste Gartensaison der Artenvielfalt-Spezialist*innen.

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