monerl
(3,5 Sterne) Meine Meinung Joe Biden, seit Monaten ist er in aller Munde, denn er ist der nächste Mann, der das höchste Amt der USA, das des Präsidenten, am 20. Januar 2021 einnehmen wird. Die ganze Welt schaut auf Amerika und wartet gespannt, wie diese 46. Amtseinführung vonstatten gehen wird. Alle Welt möchte endlich aufatmen, wenn der 45. Präsident, hoffentlich für immer, die politische Bühne verlassen wird. Doch wer ist dieser Joe Biden, in den so große Hoffnungen gesetzt werden? Sein in Amerika bereits 2017 erschienenes Buch gibt es jetzt erstmals auch auf Deutsch. Dieses Buch ist keine vollständige Autobiografie. Es sind vielmehr Erinnerungen an eine sehr, sehr schwere Zeit aus Bidens Leben. Es sind Memoiren, die Biden mit uns allen teilt, als der Kampf seines Sohnes Joseph Robinette Biden III, genannt Beau, gegen seinen sehr aggressiven Hirntumor begann und Biden gleichzeitig als Vizepräsident schwere außenpolitische Aufgaben mit der Ukraine, dem Irak und dem IS, und den drei südamerikanischen Staaten El Salvador, Guatemala und Honduras zu bewerkstelligen hatte. Und da liegt meiner Meinung nach die Schwäche des Buches: es will zu viel! Leser*innen, die mehr über den privaten Menschen, Vater, Ehemann und Großvater wissen wollen, die politisch nicht so sehr an Details interessiert sind, müssen sich durch seitenlange, intensive politische Gespräche, Ideen und Ausführungen lesen, bis sie an das Private kommen. Leser*innen, die sehr an dem Politiker interessiert sind, kämpfen sich vielleicht durch die vielen privaten Offenbarungen und Erzählungen. Auch wenn mich hingegen beide Seiten des Joe Biden interessieren, hatte ich hin und wieder Probleme beim Lesen, da der Autor manchmal zu sprunghaft von Privatem zu Politischem und umgekehrt wechselte. Auch wird nicht immer chronologisch erzhält, was das Lesen manchmal erschwerte. Insgesamt aber ist dies ein sehr lesenswertes Buch! Ich lernte einen anständigen, familiären, gläubigen und in die Menschen und neue Ideen interessierten Mensch kennen, der viel Gefühl für das Leid der anderen aufbringt und voller Tatendrang für Veränderungen ist, die eine gute und neue Zukunft bringen. Er öffnet sein Herz für das Leid und ist gewillt zu versuchen, es zu verringern. Er glaubt an das Gute. All das macht Joe Biden sehr sympathisch! Sein Buch hier ist eine sehr gute Ergänzung zu Obamas Autobiografie, die kürzlich erschien. Beide Männer erzählen in ihrem Buch jeweils über den anderen. So wurde mir hier bewusst, wie sehr Barack Obama sich auf Joe Biden verlassen hat und auch verlassen konnte und wie ernsthaft Biden seine Tätigkeiten für sein Land und die Unterstützung des Präsidenten ausgeführt hat. Sie waren wohl ein sehr gutes und eingespieltes Team. Joe Biden hat immense Kraft aufwenden müssen, als er gleichzeitig für seine Familie in dieser schweren Zeit da war und die Bälle im Ausland jonglierte, sogar noch am Krankenbett seines im sterben liegenden Sohnes. Er war permanent im Zwiespalt mit sich selbst, ob er dadurch zu wenig Zeit mit seinem Sohn Beau verbracht hatte. Sehr interessant fand ich auch, wie und was Joe Biden über den Zeitraum des Wahlkampfes erzählte, als es um die Präsidentschaft nach Barack Obama ging, die, wie wir wissen, Donald Trump am Ende gewann. In welchen gegensätzlichen Gefühlen er steckte, in dem er wusste, dass seine ganze Familie als auch sein Sohn Beau ihn immer wieder darin bestärkten und sich wünschten, in den Wahlkampf mit einzusteigen, doch er selbst fühlte sich kräftemäßig nicht im Stande dazu, insbesondere während seiner Trauerzeit nach dem Tode seines Sohnes. Und hier zeigt sich nochmals der gute Charakter eines Joe Biden, der letztendlich auf die Kandidatur verzichtete (obwohl scheinbar seine Gewinnchancen sehr hoch standen), weil er wusste, dass er noch nicht bereit war für ein Amt, in dem er sich ganz dem Volke widmen müsste, um sein Land voranzubringen. Im Nachhinein fragt man sich, ob es für Amerika und die Welt nicht doch besser gewesen wäre, hätte er sich in das Rennen um die Präsidentschaft gestürzt. Wäre uns allen damit Trump und die jetzige Situation erspart geblieben? Wir werden es nicht erfahren. Er jedenfalls hat seine Trauer überwunden und wird nun der nächste Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika werden und alle Augen sind auf ihn gerichtet, wie und ob er das üble Vermächtnis seines Vorgängers in den Griff kriegen wird, wie er die Corona-Krise in den USA anpackt und ob er das politisch geteilte Land wird versöhnen können. Ich jedenfalls wünsche es ihm! Wer so viel Schmerz und so schwere, persönliche Schicksalsschläge in seinem eigenen Leben überwinden kann, der hat genug Erfahrung, Herz und Kraft, das Leid und die Probleme seines Landes anzupacken. Warum der Austausch unter Lesenden so schön ist, zeigt auch folgende Kritik am Buch, auf die mich mein Bloggerkollege Arndt vom Blog Astrolibrium aufmerksam gemacht hat. Denn schlussendlich ist dem Buch noch ein recht schwerwiegender Fehler unterlaufen, der vom Lektorat inhaltlich leider nicht richtig geprüft worden ist. Joe Biden besucht im Rahmen eines Aufenthaltes in München mit seiner Enkelin Finnegan, die ihn auf der Auslandreise begleiten durfte, das KZ Dachau. Finnegan blickt durch den Zaun am KZ und entdeckt Häuser in naher Entfernung, woraufhin Joe Biden sagt: „Ich wollte, dass sie begriff, dass die Menschen, die in den 1930er und 1940er Jahren hier gewohnt hatten, gewusst haben mussten, was sich in diesem Lager abspielte. Sie wohnten so nah, dass sie das verbrannte Menschenfleisch buchstäblich gerochen haben mussten. Wie konnten sie nichts gewusst haben?“ (Buch S. 104) Doch dieser heutige Blick durch den Zaun täuscht. Es ist nicht der gleiche, wie damals. Zwischen dem KZ und den damaligen ersten Häusern lagen große, weite Felder. Dies kann man sehr gut sehen, wenn man die Seite der KZ Gedenkstätte Dachau besucht. Insbesondere visualisiert das die Interaktive Anwendung und das Topografie Projekt auf der Seite der Gedenkstätte. Auf Englisch und auf Deutsch kann man sich die Karten und Erklärungen anschauen und durchlesen und sieht sehr schön im Verleich, wie sich das Gelände in all der Zeit verändert hat. Obwohl klar ist, was Joe Biden mit seiner Aussage ausdrücke wollte, sollte der falsche Inhalt vom Verlag korrigiert werden. Fazit Ein etwas sprunghaftes und nicht immer gradliniges Buch über die politischen Aufgaben und familiären Leiden des nächsten Präsidenten in der Zeit von ca. 2010 bis 2017. Für alle, die den Menschen Joe Biden näher kennenlernen wollen und die sich auch für seine politische Aufgabe interessieren, ist dies ein sehr lesenswertes Buch.