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Buchdoktor

Posted on 16.1.2021

Ehe ich es mit eigenen Augen gesehen habe, konnte ich mir nicht vorstellen, wie eine Regierung ein Land wie Zimbabwe derart ruinieren kann, indem sie u. a. seine weißen Farmer enteignet und vertreibt, die bis dahin zumindest schwarze Arbeitskräfte in der Landwirtschaft beschäftigt haben. Wer kann, verlässt das Land und sucht in Südafrika oder Namibia Arbeit. Zurück bleiben auf sich gestellte Kinder, deren Mütter sich damit durchschlagen, an der Landesgrenze bescheidenen Handel zu treiben. Geld ist zum wertlosen Haufen Papier geworden. Die zehnjährige Darling geht längst nicht mehr zur Schule; die Lehrer haben das Land verlassen. Wofür sollten Kinder sich anstrengen, woher sollten die Schulhefte kommen? Als Bande stromern Darling und ihre Freunde durch ein ehemals gutbürgerliches Stadtviertel, in dem noch Obst von den Bäumen zu stehlen ist. In Darlings Alter werden Mädchen schwanger, ehe sie begreifen, was dabei mit ihrem Körper passiert. Darling ist die Chronistin dieser Verhältnisse, ihr Blick beschränkt auf die Sicht einer Zehnjährigen. Charakteristische Versatzstücke afrikanischer Realität setzen beim Leser Vorkenntnisse voraus, um z. B. einzuordnen, warum chinesische Kapitalanleger in einem verarmten Land ein Luxus-Einkaufszentrum errichten, damit jedoch keine Arbeitsplätze für Einheimische schaffen. Im zweiten Teil des Buches lebt Darling nach einem radikalen Schnitt vier Jahre später bei ihrer Tante Fostalina in den USA. Ihr Teenagerleben mit Fernsehen, Facebook und Blingbling steht in krassem Gegensatz zum Überlebenskampf ihrer Tante und auch zur kindlich-fordernden Sichtweise der in Afrika zurückgebliebenen Verwandten. So mancher Afrikaner rackert sich im Ausland mit mehreren Jobs ab, um Geld an die Familie schicken zu können. Einen Besuch in Afrika können sich die Auswanderer aus verschiedenen Gründen nicht leisten. Die „neuen Namen“, unauffällige amerikanische Vornamen, die Darlings Generation den eigenen Kindern gibt, stehen stellvertretend für die Entfremdung zum Heimatland und den Angehörigen dort. Die 1981 geborene Autorin beschränkt sich auf eine sehr kindliche Perspektive ihrer Icherzählerin und verlangt ihren Lesern damit ein selbstständiges Fortdenken eines Erwachsenwerdens als Flüchtling ab.

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