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Buchdoktor

Posted on 12.1.2021

Klas lebt für die Vogelwelt um sein schwedisches 200-Seelen-Dorf herum. Mit dem Fernglas des Vogelkundlers beobachtet er manchmal auch die übrige Welt und hat ein zwanghaftes Verhältnis zu Zahlen. Die Familie bewirtschaftet einen Bauernhof mit Großvieh und kennt keine Freizeit. Wenigstens einmal zusammen zum Schwimmen gehen, wenn die Heuernte eingebracht ist, wünscht sich die Mutter. Stärker als unter dem Angebundensein auf dem Hof leidet die Familie unter der psychischen Erkrankung des Vaters. Der Mann befasst sich manisch mit unnützen Dingen, schläft im Heizungskeller, hört Stimmen und scheint der Verantwortung für den Hof nicht mehr gewachsen. Die Raben aus dem deutschen Buchtitel stehen für die Stimmen, die nur der Vater hören kann. Klas' schlimmster Alptraum ist die Vorstellung, mit dem Vater allein sein zu müssen. Schon immer war der Vater ein Sonderling, seine akribische Wetterbeobachtung ähnelt verdächtig Klas' Fixierung auf die Vogelwelt. Klas erzählt aus der Ichperspektive von seiner schwierigen Situation. Zu jung für eine so weitreichende Entscheidung, wollte er den Hof nie übernehmen, wagte bisher nur nicht, dem schwierigen Vater die Wahrheit zu sagen. Dennoch spürt er durch die Krankheit des Vaters die Verantwortung auf sich lasten, dass der Hof nur zu halten ist, wenn er den Vater ersetzt. Diese Ängste des Zwölfjährigen sind unrealistischer als andere. Klas ist noch ein Kind und die Mutter führt den Hof mit einem erwachsenen Helfer weiter, als der Vater in die Psychiatrie eingewiesen wird. Doch die Ängste des Jungen um die eigene psychische Gesundheit sind mehr als realistisch. Der Großvater väterlicherseits war bereits ein schwieriger Mann und seine Todesumstände sollten der Familie zu denken geben. Wenn die psychische Krankheit des Vaters durch den Klinikaufenthalt nun amtlich wird, folgt für mich als Leser daraus, dass auch der Sohn eine Veranlagung dazu haben könnte. Ob er sich die Tatsache vollständig eingestehen kann, ist mir aus der beschränkten Ichperspektive eines jungen Sonderlings nicht deutlich geworden. Vor ihm zieht sich zunächst ein unendlich langer, heißer Sommer, in dem er sich zum ersten Mal für ein Mädchen interessieren wird. Die Zerrissenheit des Jungen spiegelt sich sprachlich in der Sprunghaftigkeit schneller Schnitte. Neben den faszinierenden Naturbeschreibungen beeindrucken in Bannerheds preisgekröntem Roman die verschiedenen Emotionsebenen, durch die sein jugendlicher Held sich zur Einsicht kämpft, dass auch er einmal wie der Großvater und der Vater sein wird.

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