travelartandbookblogger
"Wir holen alles nach“ von Martina Borger erzählt feinfühlig aber authentisch von unterschiedlichen Alltagsproblemen, mit denen wohl der ein oder andere im Laufe seines Lebens konfrontiert wird. Der Grundschüler Elvis, von seinem Vater ver- und des Öfteren mit falschen Versprechungen im Stich gelassen, lebt bei seiner Mutter Sina und deren neuem Freund Torsten in einer nur schwer bezahlbaren Wohnung in München. Sina wird von ihrem verständnislosen Chef sehr in Anspruch genommen, sodass sie nur wenig Zeit für ihren Sohn hat. So tritt die Rentnerin und Hundebesitzerin Ellen, die ebenfalls mit finanziellen Problemen, aber auch ein wenig mit der Einsamkeit des Witwenlebens zu kämpfen hat in ihr Leben und gibt dem Jungen Nachhilfe. Torsten findet nur schwer zurück ins Berufsleben, denn die Alkoholprobleme seiner Vergangenheit machen ihm immer wieder einen Strich durch die Rechnung. Außerdem macht ihm seine Ex das Leben schwer, indem sie ihm den Zugang zu seinen Kindern verbietet. Mir hat an dem Roman neben der Haptik des Buchumschlags und der Seiten, inhaltlich vor allem gefallen, dass viele gesellschaftliche Probleme in den Fokus gerückt wurden: Balanceakt zwischen Job und Kind, finanzielle Probleme und Wohnungsnot in Großstädten/Flucht in die Peripherie, schlechtes Gewissen Alleinerziehender gegenüber ihren Kindern, Streit zwischen Erwachsenen unter denen die Kinder leiden, Rechte und Pflichten von Eltern, Mobbing, jahrzehntelanges Schuften und die Rente ist trotzdem zu knapp, Alkoholismus, der Teufelskreis der Langzeitarbeitslosigkeit, Arbeitsplatzunsicherheit, Umweltschutz, Homosexualität, Geschlechterrollen etc. Vielleicht ein bisschen viel, vielleicht manches auch zu wenig thematisiert, der Roman hätte ruhig ein wenig länger sein können, aber an sich fand ich ihn sehr gut zu lesen und auch spannend aufgebaut. Der Schreibstil war erfrischend, sehr dialoglastig aber auch viele interessante Gedankengänge der beiden Protagonistinnen, die ich manchmal aber nicht gänzlich nachvollziehen konnte. Alles in allem hat mir die Geschichte aber gut gefallen und ich könnte sie mir auch sehr gut als ZDF-Familienfilm vorstellen.