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travelartandbookblogger

Posted on 12.1.2021

„Das Flüstern der Bäume“ von Michael Christie zieht einen, ob man will oder nicht, komplett in seinen Bann. Man kämpft sich durch Jahrzehnte, Einzelschicksale, aber auch das große Ganze. Jacinda Greenwood lebt im Jahr 2038 als sie von ihrem Ex über ihre Familiengeschichte aufgeklärt wird. Sie arbeitet als Pilgerführerin auf Greenwood Island in Kanada. Einem - zu dieser Zeit - der letzten lebenswerten Orte weltweit, denn der Kapitalismus und die Konsumgesellschaft haben schreckliche Umweltfolgen nach sich gezogen, und lediglich die Elite ist noch in der Lage, dem Staub, dem großen Welken, zu entkommen. Dieser Einblick in eine möglicherweise uns bevorstehende Zukunft macht einem definitiv ein wahnsinnig schlechtes Gewissen, wie wir mit der Natur umgehen. Im Vordergrund steht neben dem Respekt für unseren Planeten, vor allem für jene Bäume, die es schon Jahrtausende vor uns gab, eine tragische Familiengeschichte, deren Ausgang man bereits kennt. Nicht jedoch die Abbiegungen des Zufalls, welche zu solch einem Ende führten. Spannend sind also vor allem die Ursachen, die zum Zwist der Brüder Everett und Harris geführt haben, wie schließlich das entführte Mädchen, Tochter von R.J. Holt in die Hände des verhassten Bruders Harris Greenwood gelangen konnte und auch wenn man ja schon weiß, inwieweit sich die Ereignisse auf die Zukunft ausgewirkt haben, so bleibt es dennoch zu jedem Zeitpunkt aufregend, jede Konsequenz, die gleichzeitig eine weitere und eine weitere nach sich zog, von Seite zu Seite aufzudecken (immer ein paar unerwartete Geheimnischen in petto) - zu verschiedenen Jahrzehnten, aus unterschiedlichen Perspektiven. Zuweilen verliert man sich dabei auch ein wenig. Bei der Hetzjagd auf Tagebuch und Kind weiß man gar nicht so recht, für welche Seite man sich entscheiden soll, denn der arme Harvey Lomax kann einem einfach nur leidtun. Es gibt irgendwie nicht so richtig nur gut oder nur böse, wie das im Leben ja eigentlich auch meistens so ist. Die ganz große Stärke dieses Romans ist meiner Meinung nach auf jeden Fall, dass er rückwärts erzählt wird, man also eigentlich alles schon weiß, aber im Grunde irgendwie auch nicht, und man sich ständig die Frage stellt: wie konnte es nur zu dieser Entwicklung kommen? Vielleicht haben wir ja doch selbst noch einiges in der Hand, dass unsere Zukunft ein wenig rosiger aussieht…?

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