Lesen macht glücklich
Unentschlossenheit Kemal Arslan ist dem Viertel Hawaii in Heilbronn entflohen, strebte die große Fußballkarriere an, nur um dann umso härter abzustürzen. Ein Unfall kostete ihn die Karriere und er muss zurück in seine Heimatstadt. Dort begleiten wir den im Leben orientierungslosen jungen Mann drei Tage lang durch Heilbronn. Es sind die heißesten Tage des Jahres und die Stimmung in der Stadt ist am Kochen, die Fronten zwischen dem Viertel Hawaii, in dem sich eine türkische Gemeinde entwickelt hat, und einer rechtsgesinnten Gruppierung sind verhärtet bis es mit einem Kampf zur Totalkonfrontation kommt. Cihan Acar hat mit Hawaii einen sehr zielstrebigen Roman geschrieben, der uns in die Welt des türkischstämmigen jungen Mannes Kemal Arslan entführt und aus dessen Sicht dieser ganze Roman geschrieben ist. Mit einfachen, knappen Sätzen sehen wir mit Kemals Augen, was in Heilbronn in den betreffenden drei Tagen so passiert. Es ist nicht unbedingt Literatur die haften bleibt, dafür aber eine, die großartig unterhält. Wohin mit mir? Kemal ist zurück in Hawaii. Das ist aber nicht der Staat in den USA, sondern ein Viertel in der Stadt Heilbronn. Warum das so genannt wird, weiß keiner so genau. Waren es die stationierten Amerikaner? Oder ist es einfach nur eine ironische Anspielung auf das Paradies? Kemal hatte den Traum Profifußballer zu werden, um auch diesem Viertel zu entfliehen. Er war sogar am Ziel und lebte in der Türkei seinen Traum vom großen Geld. Doch dieser war nur von kurzer Dauer, denn ein dummer Unfall kassierte diesen Traum ein, da die Ärzte ihm attestierten, dass es mit dem Profisport nicht mehr geht. So muss er unverrichteter Dinge in seine Heimat zurück und versuchen sein Leben neu zu ordnen. Vom Vater bekommt er ein Angebot, bei einem in Heilbronn bekannten türkischen Unternehmer anzuheuern oder zumindest mal ein Vorstellungsgespräch ins Auge zu fassen. Auch mit seiner Exfreundin Sina will sich Kemal wieder „vertragen“, da er diese erste große Liebe dem Fußball wegen in den Wind geschossen hat. Das Sina und auch ihre Freunde anfangs nicht davon begeistert sind, versteht sich von selbst. Doch schwingt bei den Freunden von Sina unterschwellig nicht auch Rassismus mit? Doch all diese privaten Probleme Kemals rücken dramatisch in den Hintergrund, als es in Heilbronn zwischen den Lagern einer türkischen und rechtsradikalen Gruppierungen zur Eskalation kommt und ganz Heilbronn einem Pulverfass gleicht. Eine Sinnsuche in zwei Tagen Acars Buch steigt gleich voll ein mit einer eigentlich grundsympathischen Hauptfigur, aus dessen Sicht dieses Buch komplett geschrieben ist. Aber warum schreibe ich eigentlich? Weil Kemal am Anfang etwas abgehoben wirkte durch seine Profilfußballkarriere und das er sich für etwas Besseres hält. Doch diese Gedanken verflüchtigen sich sehr schnell, da Kemal vielmehr der nette Junge von nebenan ist, immer einen lockeren Spruch auf den Lippen hat und ansonsten vielmehr in den Tag hinein lebt und so auch durch Heilbronn umherwandert. Wir begleiten ihn bei seiner Suche nach dem Sinn im Leben und wohin es ihn treiben soll, nachdem der Traum vom Fußball geplatzt ist. Dabei erleben wir einen extrem verunsicherten jungen Mann, der es bisher recht einfach hatte und nun vor einem vermeintlichen Scherbenhaufen steht und nun neu anfangen muss. Diesen Neuanfang versucht er in seiner Heimatstadt und knüpft doch nur an alte Bande an, sucht seine alten Kumpels auf und versucht auch, seine Ex-Freundin Sina wieder zu überreden, mit ihm zusammen zu sein. Doch das man die alten Zeiten einfach so in die Gegenwart zurückholen kann, hat noch nie funktioniert und macht es auch nicht bei Kemal. Das alles hat Cihan Acar, der selbst in Heilbronn lebt und einige der beschriebenen Orte sicher aus erster Hand kennt, in eine einfache Sprache gesetzt, dass man recht schnell in diesem Roman drin ist und mit Kemal auf seiner kurzen Reise in die Vergangenheit mitfiebert. Es ist nichts aufregendes dahinter, keine verschnörkelten Formulierungen oder Satzkonstrukte. Vielmehr geht es hier wunderbar geradlinig zu, sowohl in den Beschreibungen als auch in den Dialogen. Das hat mir persönlich sehr zugesagt, auch wenn mir der Roman dafür nicht unbedingt im Gedächtnis haften bleiben wird. Dafür fehlte mir dann noch dieses gewisse Etwas. Ein paar Schwächen gibt es auch Und ein paar Probleme hat der Roman außerdem. Zum einen wirkt der Konflikt am Ende des Buches sehr aufgesetzt und zu gewollt. Er überfällt einen aus dem Nichts, kündigt sich nicht richtig an. Die Straßenschlachten wirken dadurch irgendwie nicht echt, fern der Realität, obwohl es solche, unter welchen Voraussetzungen auch immer (siehe zum Beispiel G20 in Hamburg), immer wieder möglich sind. Doch hier konnte ich damit nichts anfangen, da es völlig unabhängig von Kemals Selbstfindungstrip ist. Aber trotz dieser Abkopplung der Geschehnisse hatten manche Szenen etwas bedrohliches, was richtig gut geschrieben war. Insbesondere die Begegnung von Kemal mit einem Trupp rechter Schlägertypen, die eine Straßensperre bewachten. Der zweite Punkt, der mich aber wirklich jedes Mal, wenn das auftrat, aus dem Tritt brachte, waren die Selbstgespräche von Kemal mit seinem Jaguar. Mi diesem Auto hatte er seinen Unfall, der ihn die Karriere kostete und er stellt das Bindeglied zwischen der erfolgreichen Vergangenheit und der unklaren Zukunft dar. Diese Selbstgespräche machten zwar das Problem von Kemal deutlich, dass er nicht loslassen kann und deshalb nicht weiß, wohin er will. Doch dieses Reden mit dem Auto hat zu dem Typ Kemal einfach nicht passen wollen. Schlecht wird das Buch dadurch jedoch nicht, vielmehr wurde ich gut von dieser Geschichte unterhalten und hatte sie nach wenigen Tagen ausgelesen. Es ist kein Buch, was ewig im Gedächtnis bleibt, aber das muss dieses Buch auch nicht, da es für die Dauer des Lesens auf einem guten Niveau unterhält.