Lesen macht glücklich
Die Trauer ist 11000m tief Wie mit dem Verlust eines geliebten Menschen umgehen? Vor allem, wenn es noch ein Kind ist und unter sehr unglücklichen Umständen? Das wird in dieser Geschichte anhand von Paula erzählt, die ihren Bruder Tim verloren hat, der während einem Urlaub im Meer ertrunken ist. Das Element, dem sich Paula eigentlich in ihren Studien widmet. Sie kommt über diesen Verlust nicht hinweg und verliert sich immer mehr in ihrer Trauer, bis sie ganz tief unten in ihrem ganz persönlichen Marianengraben angekommen ist. Doch was da unten lauert ist eigentlich nur tiefe Schwärze und großer Druck und es ist schwer sich von dieser Last wieder zu befreien, wenn man einmal darin gefangen ist. Ausgerechnet Helmut, ein alter Mann, der ebenfalls einen Verlust erfahren hat, hilft ihr langsam aus diesem tiefen Graben heraus. Dieses Buch hat zwar ein gewichtiges und trauriges Thema, geht aber sehr locker und auch humorvoll an dieses heran, so dass man die Scheu vor dem Tod für die Länge dieser Geschichte und auch darüber hinaus ablegen kann. Es hat mir zwar nicht alles gefallen an diesem Buch, vor allem war mir an manchen Stellen die Sprache zu flapsig und es gab zu viele Wiederholungen, aber das fällt in meinen Augen nicht zu sehr ins Gewicht. Wer sich also mit dem Thema Tod und Trauer in einer lockeren Art auseinandersetzen und nicht gleich erschlagen werden will und wer dazu noch einen richtig lustigen Roadtrip dazu lesen möchte, der ist bei diesem Buch genau richtig.  Hinabsteigen in den Abgrund geht schnell, das Auftauchen dagegen nicht Tim ist ertrunken und über diesen Verlust kommt die große Schwester Paula, zu der Tim immer aufgeblickt hat, nicht hinweg. Sie verliert sich in ihrer Trauer und wird darüber hinaus depressiv. Sie kann diesen Verlust nicht verarbeiten, traut sich nicht mehr vor die Tür und erst recht nicht auf den Friedhof, wo Tim begraben ist. Es könnte ja sein, dass sie jemand bei ihrer Trauer beobachtet. Also beschließt sie, des Nachts, wenn niemand auf dem Friedhof ist, genau dort einzubrechen, um ganz allein mit ihrem Tim und der gemeinsamen Trauer zu sein. Doch es kommt alles anders, wie es sich Paula vorgestellt hatte, denn zufälligerweise ist an diesem Abend auch Helmut auf diesem Friedhof, um die Urne mit den sterblichen Überresten seiner Freundin Helga auszugraben und mitzunehmen. Er hatte ihr nämlich vor ihrem plötzlichen Tod versprochen, mit ihr in die Alpen zu fahren, was er nun einlösen möchte. Durch diesen Zufall findet sich ein seltsames Gespann, denn Paula nutzt die Chance, aus ihrem Schneckenhaus zu entkommen und fährt mit Helmut kurzerhand mit. Daraus entwickelt sich ein Roadtrip der etwas seltsameren Sorte, der beiden hilft, auf jeweils ihre Weise mit dem Tod und der Trauer besser zurecht zu kommen. Dabei geht es für beide auch immer mal schmerzhaft zu und doch ist es auch für beide auf jeweils unterschiedliche Art befreiend.  Der Umgang mit dem Tod in der heutigen Zeit Es ist heutzutage nicht einfach, über den Tod nachzudenken, viele schieben dieses Thema sogar auf die lange Bank, bis es plötzlich von hinten angesprungen kommt, ohne Vorwarnung. Dabei spielt das Sterben und Loslassen eine genauso große Rolle im Leben, wie dieses selbst und man sollte sich immer mal wieder selbst mit dem Gedanken beschäftigen, denn Sterben müssen wir alle irgendwann. Nur über das Wie und das Wann können wir keine eigene Entscheidung treffen. Auch bei mir hat es innerhalb der letzten Jahre in der Familie mehrere Todesfälle gegeben, über die ich nachdenken musste, die mich beschäftigt haben und die auch die eigene Vergangenheit wieder haben lebendig werden lassen. Da sind Dinge ans Tageslicht gekommen, die ich lieber in den Schubladen des Vergessens gelassen hätte. Und wie es der Zufall wollte, erwischte mich auch während der Lektüre von diesem Buch eine Nachricht, wie man sie keinem wünscht. Ich gehe hier nicht näher darauf ein, nur diesen einen Gedanken möchte ich mit euch teilen – es kann einen jederzeit und überall treffen, unvorbereitet und manchmal sogar mit sprichwörtlicher Gewalt. Viele hätten dieses Buch in so einer akuten Situation, wie sie bei mir zutraf, sicher beiseitegelegt und hätten es nicht weiterlesen können. Ich hatte aber schon vor zwei Jahren eine ähnliche Situation, in der ich aber die Literatur nicht zugelassen habe. Es hatte jedoch nichts gebracht und ich musste auch damals zum Buch greifen. Zu dieser Zeit hatte ich zufälligerweise auch ein Buch in der Hand, welches sich mit dem Sterben beschäftigt hat. Nun habe ich es aber von Beginn an zugelassen und die Literatur hat erneut geholfen, die Trauer zu mildern und auch über die Zufälle, die es manchmal im Leben (und im Sterben) gibt, besser zu ertragen. Dafür hat Jasmin Schreiber in ihrem Buch den richtigen Ton gefunden, der mir zwar an manchen Stellen etwas zu flapsig war und auch einige Wiederholungen mit sich brachte, aber im Großen und Ganzen das Thema Tod und den Umgang mit diesem sehr schön aus zwei verschiedenen Blickwinkeln beschreibt und aufarbeitet. Gerade die zwei gegensätzlichen Charaktere Helmut und Paula, die den gesamten Roman tragen, bieten eine sehr humorvolle Grundlage, um sich sanft der Trauer zu nähern, die beide befallen hat. Gerade Paula, die in ihrem ganz persönlichen Marianengraben gefangen ist und erst durch Helmut so langsam aus diesem wieder auftaucht, hat am Anfang ein sehr problematisches Verhältnis zum Tod. Gerade, wenn ein Kind stirbt, ist es für keinen einfach. Doch Paula vergräbt sich regelrecht in ihrer Trauer, verliert sich monatelang darin und kann mit dem Tod des geliebten Bruders nicht umgehen. Sie akzeptiert zum einen nicht, dass er nicht mehr da ist, fühlt es als abstraktes Bild, welches sich unwirklich anfühlt, und zum anderen gibt sie sich selbst die Schuld an diesem Verlust, da sie in diesem einen Moment nicht an seiner Seite war, um ihn zu beschützen. Aber auch Helmut hat mit dem Tod von Helga zu kämpfen und trägt auch so noch einige schwere Päckchen mit sich herum. Ein Roadtrip als Trauerbewältigung Obwohl beide diesen Roadtrip anfangs nicht zusammen unternehmen wollen, Helmut ist recht wortkarg und stur, finden sie sich doch irgendwie und helfen sich gegenseitig über ihre Verluste hinweg. Und Helmut hilft auch Paula aus ihrem Tief heraus, was durch die rückwärts laufende Zahl über den jeweiligen Kapiteln sehr gut symbolisiert wird. Das erste Kapitel beginnt mit der 11000, was die ungefähre Tiefe des Mariannengrabens ist und endet mit der Zahl 0. Ob es Paula gelungen ist, aus dem Graben vollends aufzutauchen? Oder trägt sie immer noch zu viel Trauer in sich? Und was hat es mit Helmut, seiner Helga und dieser Reise auf sich? Das alles müsst ihr unbedingt lesen, denn es ist eine gelungene Mischung aus lustigen Szenen und nachdenklichen Gedanken, die man sich auch mehrmals durchlesen kann. Dazu noch zwei Charaktere, die verschiedener nicht sein könnten und dadurch den Reiz dieser Geschichte noch erhöhen. Für mich trotz der etwas lockeren Sprache und einem zu viel an Wortwiederholungen ein sehr gelungener Roman, der es sicher auch in meinen Jahresrückblick schaffen wird. P.S.: Noch ein Wort zur Aufmachung des Buches, die mich damals im Frühjahr 2020, als ich das Buch ausgepackt habe, begeistert hat. Der Prägedruck auf dem Hardcover, wenn man den Schutzumschlag abnimmt und auch der Schutzumschlag selbst. Auch die Bindung des Buches und das gesamte Erscheinungsbild wirkt sehr wertig und macht Lust, dieses Buch in die Hand zu nehmen.