Buchdoktor
Ben Kitto ist der letzte Passagier auf der Fähre von Penzance zur Insel Bryher, alle anderen sind schon in Tresco von Bord gegangen. Ben ist während seiner Tätigkeit als Undercover-Agent der Londoner Polizei in eine Lebenskrise gesackt. Er will sich mitten im Winter den salzigen Wind vor Cornwall um die Nase wehen lassen und danach entscheiden, wie es mit seiner Polizeilaufbahn weitergehen soll. Shadow, den Hund seiner verstorbenen Kollegin, bringt er als neuen Gefährten mit. Keine Autos, keine Motorräder, Ben fühlt sich, als würde er in die 50er Jahre zurückkehren. Sein Onkel Ray reagiert misstrauisch: zwei Monate Urlaub, kommen die bei der Londoner Kripo so lange ohne dich aus? Ben hat mit einigen Dingen zu hadern, dass er damals von der Insel fortging und keine Ausbildung in Rays Bootswerkstatt begann, und aktuell mit einem Fehler, den er sich nicht verzeihen will. Auf der Insel wird just zu Bens Ankunft die 16-jährige Laura vermisst und auch Sam, der bis vor kurzem mit Laura zusammen war. Da wegen des Wintersturms zuvor der Fährverkehr ausfiel, kann Laura die Insel nach menschlichem Ermessen nicht verlassen haben – und ein möglicher Täter auch nicht. Die Insel wurde wegen ihrer Lage seit Jahrhunderten gern von Schmugglern genutzt, so liegt es nahe, dass ihre Bewohner bis heute krumme Geschäfte laufen haben, auch wenn Ben vorwitzig einen privaten Konflikt als Ursache für Lauras Verschwinden vermutet. Während der gemeinschaftlichen Suche nach Laura und der Befragung der Bewohner erhält Ben jedenfalls ausreichend Gelegenheit, sich über deren wirtschaftliche und private Probleme auf den neuesten Stand bringen zu lassen. Er hält sich für völlig genesen von seinem Zusammenbruch und ist davon überzeugt, dass der Polizeiposten der Scilly-Inseln ihn in diesem Fall dringend benötigt. Immerhin hat Ben gegenüber dem Deputy aus Cornwall den Heimvorteil, fast alle Inselbewohner noch von früher zu kennen. Als Laura schließlich tot aufgefunden wird, stehen mehr Verdächtige zur Auswahl, als den Ermittlern auf einer so kleinen Insel lieb sein kann, und Ben muss sich fragen, auf wessen Seite er steht. Bens Bericht aus der Ichperspektive wechselt mit einem zweiten Handlungsfaden um Sams Mutter Rose, die Honig und Kräuter an Touristen verkauft. Rose vermutet nichts Gutes und will ihren Sohn finden, bevor es die Polizei tut. Neben düsteren Legenden über Strandräuber und Schmuggler erfährt man als Leser von der Kehrseite einer Touristenidylle auf teurem Pflaster und den Folgen für die Bewohner. Eine rasant spannende Handlung nimmt hier für meinen Geschmack etwas zu viele hinauszögernde Wendungen, die Lösung des Falls wirkt zu bemüht. Den Fernweh-Faktor in Penroses Setting fand ich jedoch konkurrenzlos - und die Landkarte in der vorderen Umschlagklappe vermittelt eine Spur von Luxus. Da sich für Ben und auch für die Hotelbesitzerin Suzan neue Perspektiven andeuten, bin ich bei einem zweiten Band auf den Scilly-Inseln gern wieder dabei.