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mabuerele

Posted on 8.1.2021

„...Aber Richard? Der brauchte nur auf ein Pferd zu steigen, huldvoll zu lächeln und mit einer Hand zu winken – und die Menschen sind bereit, ihr letztes Hemd für ihn zu geben, und würden ihm wahrscheinlich sogar in die Hölle folgen...“ Das sind die Gedanken einer Mutter über ihren Sohn. Die Mutter ist Eleonore von Aquitanien, der Sohn Richard Löwenherz, König von England. Wir schreiben das Jahr 1194. Hinter Richard Löwenherz liegen harte Jahre. Zuerst kamen die Beschwerden des Kreuzzugs, dann die Inhaftierung durch Herzog Leopold in Österreich. Nun ist das Lösegeld gezahlt und Richard zurück. Die Jahre haben Spuren hinterlassen und seine Feinde wissen, dass sie nichts zu lachen haben werden. Nicht nur Philipp II. sieht harte Zeiten auf sich zukommen. John, Richards Bruder, bangt um sein Leben. Und mit dem Papst hat Richard ebenfalls noch eine Rechnung offen. Der Autor hat einen spannenden und sehr gut recherchierten historischen Roman geschrieben. Das Besondere daran ist, dass es um die letzten 15 Jahre im Leben des Herrschers geht. Der Schriftstil lässt sich gut lesen. Er unterstützt die teilweise rasante Handlung, lässt aber auch Raum für ruhige und besinnliche Szenen. Die Personen werden gut charakterisiert. Ich möchte mich in meinen Ausführungen auf wesentliche Punkte beschränken. Richard erweist sich als kluger Stratege, dem es gelingt, Menschen so zu beeinflussen, dass sie über sich hinaus wachsen. Ihn als Feind zu haben, ist allerdings lebensgefährlich. Zwei seiner Eigenschaften allerdings sind nicht unwesentlich für seinen plötzlichen Tod. Sein Ehrgeiz, immer der Beste sein zu wollen, führt zu Leichtsinn. Er lebt und kämpft, als sei er unverwundbar. Zu Marshal, einem seiner besten Männer, sagt er einmal: „...Ich bin um etliches jünger als Ihr, und das Schwert ist noch nicht geschmiedet und der Bolzen noch nicht gefertigt, der mich zu Fall bringt. Macht sich in Gefahr zu begeben außerdem nicht erst die Würze des Lebens aus, um diese danach um so mehr zu genießen?...“ Bei einem Roman über Richard kommt man natürlich an Eleonore von Aquitanien nicht vorbei. Diese starke Frau ist die einzige Person, der sich Richard zumindest ab und zu beugt. Interessant finde ich ihre Selbsteinschätzung: „...Sie jedenfalls war weder ihrem ersten Mann, dem französischen König Louis, noch in späteren Jahren ihrem zweiten Gemahl, König Henry von England, treu gewesen. Warum auch, waren es die Männer doch ebenfalls nicht, und keiner störte sich daran...“ Der dichterischen Freiheit ist es geschuldet, dass Richard ein Geschenk aus den Kreuzzügen mitgebracht hat, dessen Geheimnis erst spät gelüftet wird und das für unangenehme Überraschungen sorgt. Sehr amüsant und gekonnt sarkastisch werden die Gespräche dann, wenn ein Vertreter der Kirche versucht, Richard zu einer Demutsgeste oder zum Verzicht auf weitere Kämpfe gegen Philipp II.zu bewegen, „...Und was das „Du sollst nicht töten“ angeht. War es nicht der „Heilige Vater“, […] der zum Kreuzzug aufrief? […] Oder habe ich da etwas missverstanden, und wir sollten die Sarazenen im Heiligen Land mit Gebet und guten Worten bezwingen?...“ Drei Dinge bestimmen im wesentlichen die Handlung: Richards Kämpfe, um verlorenes Terrain wieder zu gewinnen, die nicht einfache Beziehung zwischen Richard und seiner Gattin und seine Versuche einer Nachfolgeregelung. Eines wollte er auf keinen Fall. Der künftige König sollte nicht John heißen. Jedem möglichen Nachfolger oder eher seinen Eltern war allerdings klar: Ein Ja befördert sie auf die Abschussliste von John. Der Autor versteht es nicht nur, einen hohen Spannungsbogen aufzubauen und zu halten, er kann außerdem sehr lebendig und anschaulich erzählen. Grausamkeiten, die in Kriegszeiten nun mal nicht ausbleiben werden erwähnt, aber nicht unnötig ausgeschmückt. Das Buch beginnt mit einer historischen Karte von England und Frankreich sowie einem Personenregister. Es endet mit einem inhaltsreichen Nachwort, einem Glossar und einer Bibliographie. Der Roman hat mir ausgezeichnet gefallen.

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