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Buchdoktor

Posted on 8.1.2021

In der Fortsetzung von „Peripherie“ (dt. 2016) muss Verity Jane sich nach langer Arbeitslosigkeit in ihrem neuen Job mit der künstlichen Intelligenz Eunice auseinandersetzen. Die Generation von Veritys Eltern hatte zuvor einen jahrzehntelangen Atomkrieg geführt. Eunice ist Prototyp einer autonomen, selbstlernenden Software-Assistentin. Künstliche Intelligenz hat in Eunices Epoche ein Geschlecht und ein Pronomen. Da sich die Anwendung mit dem menschlichen Vornamen ihres Entwicklungsstadiums bewusst ist, könnte man als Leser annehmen, dass sie sich für eine Person hält, bzw. dass ich auf sie wie auf eine menschliche Figur reagieren soll. Amüsant wird diese Begegnung mit Eunice, weil sich in der nahen Zukunft der Zeitverlauf gespalten hat und sich seitdem vom dominierenden Zeitstrahl kleinere Zeit-Stummel in eigenem Tempo entwickeln. London, das stellenweise durch eine Animation ersetzt wurde, befindet sich dem Haupt-Zeitstrahl gegenüber um rund 100 Jahre voraus. Die Begegnung von Mensch und KI karikiert unsere sehr realen Erfahrungen mit sprachgesteuerten Assistenz-Programmen, lässt die Frage jedoch offen, ob die meist als weiblich erlebten Assistenten ein Ich entwickeln können - und sehr menschlich - Machtstreben, Rachsucht oder Eifersucht. Je geringer der Abstand zwischen denkbaren Entwicklungen und der Realität seit dem Erscheinen von "Peripherie" geworden ist, um so weniger konnte mich Gibsons eng mit der Gamer-Welt verbundenes Szenario faszinieren und umso absurder fand ich seine Vermenschlichung von KI. Sprachlich ist „Agency“ eine amüsante Utopie, die m. A. jedoch zu lange braucht, um aufzulösen, was hier mit welchem Ziel geschieht und wem die Eunices dieser Welt langfristig nutzen könnten. Band 2 der Jackpot Trilogie

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