Chief Propaganda Officer
Judy Abbott, die eigentlich Jerusha heißt, hat ihr Leben lang im Waisenhaus verbracht. Doch dann findet sich ein anonymer Gönner für sie, der ihr das Studium bezahlt. Dafür will er nichts weiter von ihr, als dass sie sie in das Studium reinkniet und ihm jeden Monat einen Brief schreibt mit ihren Fortschritten. Judy hat wenig Erfahrung mit dem Leben außerhalb ihres Waisenheimes und sie muss sich mehr als jedes andere Mädchen ins Lernen vertiefen: Nicht nur das, was an der Universität gelehrt wird, sondern auch, wie dieses normale Leben überhaupt funktioniert. Sie findet dabei Zicken, beste Freundinnen und alles dazwischen und ganz vielleicht und aus Versehen auch die Liebe. Dieses Buch ist kurz und kurzweilig und eine ausgemachte Feel-Good-Lektüre. Judy plappert und schreibt wie ein Wasserfall und ist dabei immer neugierig und aufgeschlossen. Was mich ernsthaft beeindruckt hat, ist, dass sie eine sehr moderne, junge Frau ist, obwohl das Buch vor über 100 Jahren zum ersten Mal erschienen ist. Obwohl sie eigentlich finanziell abhängig ist von Daddy-Long-Legs, bedeutet das für sie nicht, dass sie unterwürfig oder devot reagiert. Sie hat ihren eigenen Kopf und sie versucht, sich aus dieser Abhängigkeit selbst zu befreien. Sie braucht kein Alphamännchen, das sie wie Dreck behandelt, um sich fraulich zu fühlen, sie geht ihren Weg und lässt sich auch vom Scheitern nicht abhalten. Natürlich ist die Geschichte sehr vorhersehbar, aber trotzdem empfinde ich sie als einen gelungenen Prototyp des jetzt so beliebten Young/New Adult, ganz besonders, was das Selbstbild von Protagonistinnen betrifft. Könnten sich viele Autorinnen und Leserinnen mal ein Beispiel nehmen.