Buchdoktor
Die ungefähr zehnjährige Hannah beschäftigt sich in letzter Zeit häufig mit dem Tod. Ihre Erkenntnisse trägt sie in einem Notizbuch zusammen. Anlass sind u. a. die Bestattungsriten der Alten Ägypter, die Hannah gerade in der Schule durchnimmt, aber auch die gefährliche Arbeit ihres Vaters als Journalist im Libanon. Die Verbindung vom Thema Tod mit der Sorge um den abwesenden Vater fand ich sehr bedrückend. Hannah ist auch offen dafür, sich mit der Darstellung des Todes in der deutschen Sprache zu befassen. Mit ihrer Mutter besucht Hannah einen Friedhof, nicht „den“ Friedhof, um das Grab einer bestimmten Person zu besuchen. Für Hannah war der Tod bisher ein abstraktes Thema. Der Friedhofsgärtner Florian, der mit Familiennamen ausgerechnet „Tod“ heißt, ein Jugendfreund von Hannahs Mutter, ist zu seinem Lieblingsthema Friedhof und Bestattung eine nie versiegende Quelle an Informationen. Hannahs Großvater fühlt sich zwar noch mitten im Leben, nimmt die Fragen seiner Enkelin jedoch auch sehr ernst. Kindern, die wie Hannah bisher noch keinen Kontakt zum Sterben und zur Bestattung hatten, bringen die sehr eigenwilligen und wenig realistischen Illustrationen das Thema nicht unbedingt nahe. Einige Themen (Beispiel Hospiz) tauchen überganglos auf, weil sie im Text behandelt werden sollen, nicht weil Hannah sich die Frage stellt. Interessant fand ich Hannahs Projekt einer Löffel-Liste, einer Liste von wichtigen Dingen, die sie unbedingt erleben will, ehe sie selbst „den Löffel abgibt“. Eingefügt in den erzählenden Text sind Wissensseiten über Todes-Symbole unserer Kultur, wie den Sensenmann oder den Fährmann, Bestattungsarten oder ungewöhnliche Sarg-Arten. Inkonsequent finde ich die Beschränkung auf christliche und jüdische Bestattungs-Sitten. Der verlegen wirkende kurze Einschub des Vaters über muslimische Bestattungen fällt dagegen ab und hat eher Alibi-Charakter. Griechisch- und Russisch-orthodoxe Gräber, die man selbst auf Kleinstadt-Friedhöfen schon finden kann, fehlen leider ganz, aber Ghana wird abgehandelt. Als erzählendes Sachbuch sollte Hannahs Geschichte im Ganzen gelesen werden. Für die Suche nach einem Einzelthema ist kein Sachregister vorhanden. Erzählende Sachtexte, deren Handlung nur den Rahmen abgibt, kommen nach meiner Erfahrung bei Kindern weniger gut an als reine Sachbücher mit realistischen Abbildungen, aus denen spontan einzelne Abschnitte gelesen werden können. Das Buch richtet sich an Kinder ab 9 Jahre, die sich unabhängig von einem konkreten Todesfall mit dem Thema Sterben und Bestattung befassen wollen. 3 1/2 Sterne