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mrsrabe

Posted on 6.1.2021

1989, ein ganz normales Jahr? Nicht in der Stadt Zilina im Nordosten der Slowakei, nicht in der übrigen Welt des damaligen „Ostblocks“. Es ist „das letzte rote Jahr“, das Jahr in dem der real existierende Sozialismus endgültig unwirklich wurde, Grenzen geöffnet wurden, der Eiserne Vorhang in Europa fiel. In Zilina wachsen die drei Mädchen Miša, Rita und Slavka auf, Freundinnen seit sie klein waren. „An ein Leben vor Rita und Slavka kann ich mich nicht erinnern. Obwohl es eine Zeit ohne sie gegeben hat, wie mir erzählt wurde, in der ich bloß Miša war und Rita bloß Rita und Slavka bloß Slavka. Doch von dem Moment an, in dem wir die Vierzimmerwohnung im Bezirk Vlcince bezogen, weil mein Vater eine neue Stelle bei Tesla in Zilina antreten sollte, wurden wir zu Miša, Rita und Slavka.“ In diesem Jahr 1989 sind die Mädchen vierzehn Jahre alt. Die seit 1990 in Österreich lebende aber in Zilina geborene Schriftstellerin Susanne Gregor kennt diese Stadt, die Plätze und die Menschen dort. Ihre Ich-Erzählerin Miša ist eine durchschnittliche Schülerin, eine angepasste Tochter. Ihre Freizeit verbringt sie lesend. Ganz im Gegenteil dazu ist Rita überzeugte Kommunistin und Pionierin, ist provokant, eckt bei Eltern, Lehrern, Nachbarn immer wieder an. Slavka ist die Sportlerin, jeden Tag trainiert sie, eifert ihrem Vater nach, der sich jedoch schon vor Jahren bei einer Sportveranstaltung in den Westen abgesetzt hat und die Familie zurückgelassen hat. Das Buch beginnt im Frühling als die Mädchen trotz aller Gegensätzlichkeiten noch unzertrennlich waren. Es ist ein Jahr voller großer und kleiner Veränderungen. Der politische Umbruch macht auch vor der kleinen doch recht privilegierten Welt in der die Familien leben nicht halt - Ritas Eltern sind Ärzte, Mišas Vater reist beruflich viel ins westliche Ausland und ist Protegé eines Parteigenossen, nur Slavkas Mutter ist Verkäuferin. Neben den gesellschaftlichen Veränderungen stehen auch die Mädchen vor Veränderung. Es ist nur das körperliche Heranwachsen, auch der Wegfall gewohnter Strukturen bringt ihr gewohntes Leben durcheinander. Miša findet in der Literatur ihre Form des Widerstands gegen die Enge und Autorität in ihrem Elternhaus. „…längst hatte ich gelernt, den Erwachsenen keine Fragen zu stellen, es war die Literatur, in der ich Antworten fand.“ Susanne Gregor schreibt über Freundschaft, dem Ende einer Ära, dem Verlust der Stabilität und der daraus resultierenden Ratlosigkeit mit feiner psychologischer Kraft, sie schreibt vom Erwachsenwerden unter besonderen Umständen mit einem Blick auf politische Ereignisse und über ganz eigene Grenzen, die sich öffnen. Unter diesem Ganzen bekommt der Prolog, in dem die heute erwachsene Miša wieder auf Rita trifft, nochmal ein anderes Gesicht.

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