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mabuerele

Posted on 5.1.2021

„...Was ist ein Leben? Eine Abfolge von Jas und Neins, Fotos, die in einer Schublade landen, Liebschaften,die man für die Rettung hält, die sie nie sind. Weitermachen, aushalten, auch dann nicht aufhören, wenn es wehtut...“ Dies Gedanken kommen Atef 2011 angesichts seiner Enkel. Davor liegt ein Leben, das eines selten war – beständig. Im Jahre 1963 heiraten Alia und Atef in Nablus. Wie es Tradition ist, liest Salma, Alias Mutter, am Abend vorher aus dem Kaffeesatz. Sie erkennt, dass sich ihr Schicksal in Alias Leben wiederholen wird und verschweigt das. Salma stammt aus einer vermögenden palästinensischen Familie in Jaffa. Nach der Gründung Israels wurden sie gezwungen, Land und Haus zu verlassen. Da sie ihr Vermögen retten konnten, war ein Neubeginn möglich. Die Autorin hat eine bewegende Familiengeschichte geschrieben. Ich darf Atef und Alia bis ins hohe Alter begleiten, Der Schriftstil lässt sich gut lesen. Er gibt das Spannungsverhältnis wieder, das den Roman wie ein roter Faden durchzieht. Es sind nicht nur die politischen Spannungen, sondern auch die innerhalb der Familie. Alia besucht gerade ihre Schwester in Kuweit, als ihr der Sechstagekrieg die Heimat nimmt. Eine Rückkehr nach Nablus ist ausgeschlossen. Ihr Mann wird eine Stelle an der Universität in Kuweit erhalten, ihren Bruder Mustafa wird sie nie wiedersehen. Sehr eindrücklich wird beschrieben, warum dem so war. Atef verarbeitet seine Erlebnisse in Briefen, die er an Mustafa richtet. Erst ganz am Schluss erfahre ich, was wirklich geschehen ist. Die Szenen im Gefängnis sind heftig. Das Paar hat drei Kinder. Atef ist ein liebevoller Vater. Beide haben mit Religion wenig am Hut. Erstaunlich ist deshalb, wie unterschiedlich die Kinder sich entwickeln. Das Buch räumt gründlich mit einigen Vorurteilen auf. Dass Riham Kopftuch trägt, ist weder den Eltern, noch dem Ehemann geschuldet. Es war ihre freie Entscheidung. Der Kuweitkrieg ist der nächste Einschnitt im Leben der Familie. Jetzt ist Amman die neue Heimat. Zwei der Kinder allerdings ziehen in die Welt. Später wird man sich in Beirut treffen. Und wieder ist Krieg. In Nablus ermöglicht mir die Autorin auch einen Blick auf die Palästinenser, die ihre Heimat mit Nichts verlassen haben und nun mehr schlecht als recht in Lagern leben. Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es wirft wie ein Schlaglicht den Blick auf ein Volk, das seit Jahrzehnten entwurzelt ist. Mit einem Zitat der Enkelin möchte ich meine Rezension beenden: „...Palästina war für die Familie eine offene, nie völlig verheilte, nie ganz verschorfte Wunde, über die von den Großeltern kaum je gesprochen wurde...“

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