Lenislesestunden
“Es ist der Absolutheitsglaube, der aus Kategorien Käfige macht. Also die vermessene Vorstellung, die eigene begrenzte limitierte Perspektive auf die Welt sei komplett, vollständig, universal. Der Hochmut, zu glauben, einen anderen Menschen in seiner ganzen Komplexität abschließend verstehen zu können.” - S. 134 Kübra Gümüşay beschäftigt sich in “Sprache & Sein” mit dem Einfluss von Sprache auf unsere Wahrnehmung, unser Handeln, unseren Umgang miteinander, letztendlich unser ganzes Leben. Dabei zeigt sie insbesondere auch die Grenzen der Sprache auf bzw. welchen negativen Einfluss der Sprachgebrauch insbesondere auf bestimmte Gruppen unserer Gesellschaft haben kann. Sie beschreibt unter anderem die Unterschiede zwischen “Benennenden” und “Benannten”, wobei sich letztere ständig gegenüber ersteren erklären und rechtfertigen müssen, sei es für Herkunft, Ethnie, Körper, Religion, Sexualität oder Geschlecht. Wie auch im obigen Zitat fällt mehrmals der Begriff “Absolutheitsglaube”, und ich glaube, er trifft den Nagel auf den Kopf - immer seltener werden in Diskussionen verschiedene Facetten und unterschiedliche Denkweisen zugelassen, im Gegenteil, vielmehr sind vorschnelle Äußerungen und pauschale Verurteilungen die Regel. Auch mir hat dieses Plädoyer für respektvolle Sprache, Offenheit und Toleranz den Spiegel vorgehalten und bewusst gemacht, wie begrenzt meine Perspektive ist und wie viel ich noch lernen und verbessern möchte. Ich bin unheimlich dankbar für dieses Buch, denn es war nicht nur inhaltlich extrem bereichernd sondern auch sprachlich ein absoluter Genuss. Selten habe ich so klare, elegante, poetische und gleichzeitig treffende Formulierungen lesen dürfen. Fazit: Wenn ich euch aus dem ganzen vergangenen Jahr nur ein Buch empfehlen könnte, so wäre es “Sprache & Sein” - am liebsten würde ich es einfach jeder und jedem in die Hand drücken, denn es sensibilisiert, eröffnet ganz neue Horizonte und bestärkt darin, viel bewusster zu sprechen - und sprechen zu lassen.