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jankuhlbrodt

Posted on 2.1.2021

Japan, Kanada und die Karibik Kulturelle Melange Gegen Ende des Buches findet sich eine Referenz an Richard Brautigan, diesen amerikanischen Schriftsteller, der mehrere Jahre in Japan lebte, ohne ein Wort Japanisch zu sprechen und zu verstehen. Es muss so zu Leben einen Moment des Taubstummen haben, man hört die Geräusche zwar, und vielleicht hört man auch die Sprache heraus, aber man weiß sie nicht zu deuten. Der Protagonist des Buches, um das es hier geht, bekommt jedenfalls von einem kriminellen Taubstummen Nachbarn Cowboystiefel geschenkt und die Erinnerung an einen angelnden Schriftsteller. „Forellenfischen in Amerika“ ist das Erfolgsbuch des in Japan stummen Amerikaners Brautigan. Kult auch hier. Diese Episode findet sich gegen Ende des Buches, das damit beginnt, dass der Autor, um einen Vorschuss zu kassieren, seinem Verleger einen Buchtitel vorschlägt. Der Verleger akzeptiert. Der Titel: Ich bin ein japanischer Schriftsteller. Dany Laferière, der Autor des Buches, um das es hier geht und das auch das Zeug zum Kultbuch hat, ist zumindest dem Namen nach natürlich kein japanischer Schriftsteller, sondern er stammt aus Haiti schreibt auf Französisch und lebt heute, oder zumindest als das Buch entstand, in Montreal. Er schreibt französisch und entzündet so etwas wie eine sprachliches Feuerwerk, dessen Glitzern Beate Thill in ein Deutsches übersetzte. Es ist nicht die erste Kooperation dieses Duos, die im Verlag Wunderhorn erschienen ist. Im Jahr 2014 erhielten sie für „Das Rätsel der Rückkehr“ den internationalen Literaturpreis vom Haus der Kulturen der Welt. Nun also die im Buchtitel angekündigte Verwandlung des Autors in einen Japanischen. Im Text werden japanische Kollegen aufgerufen. Mishima und Tanizaki erscheinen als Botschaftsmitarbeiter die sich um das Japanbild im Roman sorgen. Und immer wieder durchbrechen Referenzen an Basho den Text. Aber, und das scheint mir ein, wenn nicht der springende Punkt, diese Verwandlung ist eine popkulturelle der Identität. Zumindest in Kreisen der Wohlhabenden und ihres künstlerischen Anhangs, der Popgrößen, die aus der Gefolgschaft herausgetreten sind, um selbst eine Gefolgschaft an sich zu binden, ist Identität etwas fluides. Der kulturelle Jetset kennt sie nur mehr nur noch als Spiel. Und so begegnen wir im Roman auch einer Figur, die Sängerin ist und Bjork heißt und die mit einem Museum telefoniert, um eine Ausstellung verlängern und die ausgestellten Künstler versammeln zu lassen. Dieses Ansinnen jedoch scheitert, weil die haitianischen Künstler, so sie überhaupt noch am Leben sind, ablehnen, deshalb nach Montreal zu kommen. Sie bewahren sich ihre Identität durch Abwesenheit. Diese Episode, aber auch die oben erwähnte Referenz an Brautigan sind Nebenhandlungen in einem Buch das wie ein Kaleidoskop zusammengesetzt ist. Wir begegnen einer Schar Japanischer junger Frauen, sehen eine Frau aus dem Fenster springen, treffen paarweise auftretenden kanadische Polizisten und einen griechischen Vermieter und Imbissbesitzer, dessen Tochter die Männer des Viertels kirkegleich zum Kauf von Unmengen Souflakispießen verführt. Vorurteile, kulturelle und rassistische, werden lustvoll dekonstruiert. In kurzen bis sehr kurzen Kapiteln werden die Kulturen vermischt, so wie in modernen Großstädten Kulturen eben verquirlt sind. Und in der Melange konstruieren sich Identitäten oder sie werden konstruiert, deren Authentizität in der Erinnerung an einen Ursprung liegt, die aber selbst auch schon Konstruktion ist. Das setzt Freiheit in der Recherche, der Suche nach dem Sinn des Begriffes Japanischer Schriftsteller, aus dem sich letztlich das Buch ergibt. Und es setzt Verwirrung: aber in der Verwirrung ploppt Slapstick auf und jede Menge Humor. Wer Brautigan mag, wird dieses Buch lieben.

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