Susanne Matiaschek
Als ich “The Hurting ” begonnen habe, hätte ich nie erwartet ,dass es mich so in den Bann ziehen könnte. Denn zu Beginn hatte ich das Gefühl, es zerdrückt mich buchstäblich mit seiner Schwere und Stille. Denn das macht dieses Buch aus. Es ist schwer und still, aber auch laut und tosend. Es raubt dir den Atem und du kannst nichts dagegen tun, als dich immer weiter fort tragen zu lassen. Lucy Van Smit hat einen einzigartigen Schreibstil, an den ich mich erst gewöhnen musste. Brennend, einnehmend , fast schon mit Magie behaftet. Sie zelebriert Wörter, die sich förmlich selbstständig machen und mich immer weiter in den Bann gezogen haben. Genauso außergewöhnlich sind die Charaktere, die so viel Einsamkeit, Leere und Dunkelheit in sich vereinen. Nell sticht besonders dabei hervor. Was vielleicht daran liegt, dass man ihre Perspektive erfährt und dadurch ein Teil ihres Universums wird. Nell hat Träume, doch ihr familiäres Umfeld macht es ihr unmöglich diesen Traum zu leben . Sie ist gefangen, gefesselt und nicht imstande sich zu lösen. Sie kann nicht gehen. Aber selbst wenn , bezweifle ich, dass es sie glücklich machen würde. Sie liebt ihre Familie und ohne es zu wissen, bedeutet sie ihr mehr als alles andere auf der Welt. Und dann trifft sie auf Lukas. Ein Schlund öffnet sich und droht sie mitten in den Abgrund zu ziehen. Doch ist Nell stark genug, um sich dagegen zu wehren? Ich mochte Nell unglaublich gern. Ihre Wärme, ihren Stolz und ihren Mut. Sie handelt menschlich, impulsiv und doch teilweise mit einer Blauäugigkeit, die mich die Augen verdrehen ließ. Ich konnte mich wahnsinnig gut in sie hineinversetzen und ihr Handeln größtenteils nachvollziehen. Denn in ihrer Welt fühlt sie sich verloren, einsam. Und dann verliebt sie sich und endlich sieht jemand nur sie. Und daneben Lukas, dem ich schon sofort eine unerklärliche Abneigung entgegenbrachte. Zu düster, zu gequält, zu verheerend war seine Ausstrahlung, die dich förmlich zu verschlingen droht. Insgesamt sind die Charaktere sehr lebendig, authentisch und tiefgründig ausgearbeitet, so das ich wirklich mit Ihnen fühlen konnte. Nells Weg hat mir das Herz zerrissen, weil es immer weiter Abwärts ging und sie nichts dagegen tun konnte. Sie kämpft wie eine Löwin, erklimmt Grenzen und wächst über sich hinaus. Wahnsinn und Besessenheit durchkreuzen ihren Weg und ziehen sie immer weiter hinunter. Teilweise musste ich wirklich die Luft anhalten, weil es sich so bittersüß und zugleich tragisch anfühlte. Eine große Welle an Trauer und Wut erfasste mich und ließ mich nicht los. Ich konnte diesem Sog nichts entgegensetzen, er erfasste mich und verbrannte mich innerlich. Ohne Hoffnung, ohne Licht. Die Idee dahinter finde ich einfach großartig. Und auch wenn ich zuerst skeptisch war, hat es mich absolut mitgerissen. Die Autorin schafft hier eine unglaubliche Atmosphäre, die düster, melancholisch und beklemmend zugleich ist. Daneben das Setting Norwegens, das idyllisch und gleichzeitig so gefährlich ist. Kopfkino pur. Ein Setting, in das man sich hineinfallen lassen kann. Die Handlung war durchweg mit einem hohen Spannungsbogen versehen und obwohl es schwer und drückend war, konnte ich nicht aufhören mit lesen. Diese Dramatik des Ganzen hat mich unglaublich gepackt. Dabei erfährt man auch viel über die Hintergründe, wodurch man vieles viel besser verstehen und nachvollziehen konnte. Und dennoch ist es unbegreiflich welch Abgründe sich hier auftun. Mehr als man als Mensch verkraften oder gar verstehen kann. Es wurden Wendungen eingebaut, die mich absolut umgehauen haben und gleichzeitig mit einer Wortgewalt ,dass ich immer wieder verblüfft war, wie sich alles immer weiter entwickelte und zu einem großen Ganzen wurde. Es ist ein Überlebenskampf und gleichzeitig beinhaltet es eine Stärke, die wahnsinnig beeindruckend und vielschichtig ist. Ich weiß gar nicht ,was ich sagen soll. Dieses Buch besticht vor allem durch eine großartige Protagonistin und einem Kern, der atmen unmöglich macht. Es ist kein Buch, das leicht und flocker einhergeht. Es ist ein Buch, dass dich fordert, auf Trab hält und immer wieder neue Wege entdecken lässt. Eine Mischung zwischen Drama und Thriller, was vereint extrem explosiv ist und mitten in eine Abwärtsspirale mündet. Absolut gelungen und empfehlenswert. Fazit: "The Hurting” besticht mit einer sehr großen Tragik und Dramatik. Ein Werk, das praktisch ein Eigenleben entwickelt und immer weiter in den Abgrund zieht. Lucy Van Smit hat eine unglaublich große Wortgewalt, was mich sehr beeindruckt hat. Dazu noch das Setting Norwegens und eine Handlung, die einem schieren Überlebenskampf gleicht. Adrenalin pur. Ich bin sehr beeindruckt von dieser Fülle und Intensität, die mich förmlich in den Bann gezogen hat. Unbedingt lesen.