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Cubey

Posted on 29.12.2020

Ein kaltes, vom Schnee beherrschtes Land. Ein absteigender Instagram-Star. Eine aufmüpfige Jung-Journalistin. Willkommen bei “Das dunkle Flüstern der Schneeflocken”. Und ja, es wird genau so heiter wie es klingt. Grob dreht es sich um Hannah, deren Mutter gestorben ist, und die nun nach Island zu ihrem Vater ziehen muss und dort auch prompt in einen Mordfall verwickelt wird. Eben so an diesem Mord scheint die Influencerin Imogen Collins beteiligt zu sein. Alle Indizien zeigen auf sie. Die Ermittlungen beginnen. Oder auch nicht. Ich fang am besten einfach mal an… 1 .Island. Wow, einfach nur wow. Die Liebe zu Island ist in jeder einzelnen Beschreibung des Buches klar zu erkennen. Die Umgebung, die Atmosphäre, die Menschen… Ich war selber noch nie in Island, möchte dieses Land aber nun gerne einmal besuchen. Sif Sigmarsdóttir steckt ihre ganze Leidenschaft in ihre Worte und schafft es damit eine kalte, bedrückende und gleichzeitig lockende Atmosphäre zu erschaffen, die einem das ganze Buch begleitet. Einnehmend! Grandios. Das war es dann auch so ziemlich, was mich an dem Buch so begeistert hat. Ich habe mich sehr darauf gefreut, seit dem Moment in dem ich es ind er Loewe Vorschau gesehen hatte wollte ich dieses Buch lesen und konnte es kaum erwarten es endlich in den Händen zu halten. Was ich am Ende bekommen habe, war mehr als enttäuschend. Ich warne einmal mehr vor Spoilern zu der Geschichte vor. Wer die nicht Lesen will springt an dieser Stelle bitte zum Fazit. 1. Die Charaktere Fang ich mal direkt bei Hannah und Imogen an. Die beiden haben mich das ganze Buch über begleitet und mindestens genau so lange sind mir beide komplett gegen den Strich gegangen. Hannah versucht prinzipiell alles um nichts in ihr neues Leben rein zu passen. Mal abgesehen davon, dass ich nicht verstehe wieso sie nicht einfach bei ihrer Großmutter bleiben konnte. Sie verhält sich durchgehend so, wie jeder Mensch an Silvester, der sich vornimmt im nächsten Jahr öfter das Fitnessstudio zu besuchen und es am Ende doch nicht tut. “Ich werde mich jetzt benehmen wie ein Engel! Was? Da ist etwas, dass ich ganz interessant finde, in das ich mich aber nicht einmischen darf? Na aber HOPPALA!” “Heute Abend beim Abendessen benehme ich mich wie ein Engelchen! Na aber HUPSI!” Dass sie sich dann ständig über ihren Vater beschwert lasse ich dabei einfach mal als einen Fakt daneben stehen. Auch ansonsten bewegt sich Hannah immer am Rande der Legalität und was im Klappentext noch geheimnisvoll und gefährlich klang, entpuppt sich im Verlaufe der Geschichte als absolut gedankenlose Entscheidungen von ihr. Sie wirft sich wahllos und leichtsinnig in irgendwelche Situationen, geht nicht zur Polizei oder zu ihrem Vater wenn es erforderlich ist, zieht andere Leute mit rein und wundert sich irgendwann, dass das alles brenzlig wird. Ja, Hannah. Wirklich verwunderlich. Imogen ist keinen Deut besser. Kurz gesagt widerspricht sich dieses Mädchen andauernd selber. Sie hasst ihren Job nicht, aber sie hasst ihren Job. Sie ist dankbar dafür, aber auch nicht. Sie hasst ihre Kollegen, aber auch nicht. Das schlimmste ist aber ihre Einstellung zu Instagram und Social Media- da werde ich später nochmal genauer drauf eingehen. SIe hasst es. Und damit meine ich nicht diesen typischen “Ich habe den Glauben in die Menschheit verloren”- Hass. Sondern richtigen, echten Hass. Social Media bietet ihr nichts. Es ist für sie nur eine Fassade! Ein Spiegel der Hässlichkeit! Es ist doch alles Fake und sie muss doch so viel posten und ihre Sponsoren... blah blah blah. Das wäre alles wesentlich glaubwürdig, wenn sie an dieser Meinung mal fest halten würde und ehrlich zu sich selber und ihren Followern ist. “Aber wenn sie so ehrlich ist, wie sie sein möchte, dann verlieren die Follower doch das interesse!!” Ja, und? Imogen hat auch kein Interesse mehr an Instagram, warum also die Empörung! Noch dazu ist Imogen menschlich gesehen einfach nur ätzend. Prinzipiell die Leute in ihrer Umgebung behandeln wie Dreck, sich damit natürlich unbeliebt und verdächtig machen, und sich dann wundern warum niemand ihr zu Hilfe eilen möchte- mal abgesehen davon, dass sie zu absolut niemandem ehrlich ist, nicht nachdenkt und andere mit in den Abgrund zieht… Hey! Da hat sie ja was mit Hannah gemeinsam. Was mich aber am allermeisten an Imogen Nervt ist ihre absolute Unfähigkeit auch nur ein einziges mal irgendwie für sich einzustehen. Auf der einen Seite immer und überall das Revier markieren, auf der anderen Seite aber nicht die Klappe aufbekommen. Damit meine ich nicht nur das Gespräch mit der Journalistin, wo sie sich mehr für ihre Geschichte hätte einsetzen müssen. Sondern auch ihre Verhaftung, wo sie langsam mal mit der Sprache hätte rausrücken können. Am ehesten aber noch die Situation bei der Frau von ihrem Professor. Mädel… wirklich jetzt. Entweder du sagst ihr die Gott verdammte Wahrheit oder du denkst dir eine pfiffige Lüge aus. Die Wahrscheinlichkeit, dass du die einzige Person auf dem Campus warst, die genau dieses Parfüm trägt ist gen Null. Und die GLaubwürdigkeit von dem Kerl ist eh gebrochen. Aber gut, anstatt endlich nach dem Strohhalm zu greifen, schmeiß ihn weg. Beginnt gut, hm? 2. Die Geschichte Das Buch ist, freundlich ausgedrückt. entschleunigt. Die Geschichte dümpelt eine ganze Zeit lang hinter sich her und lebt von den Verschiedenen Zeitebenen. Wir erleben die Geschichte nämlich einmal aus der Sicht von Hannah, im hier und jetzt, und einmal aus der Sicht von Imogen, deren Zeitebene sich immer näher an unsere annähert. Die Ereignisse geschehen, wirkliche Spannung wird nicht aufgebaut und während man sich als leser Fragt wohin es eigentlich gehen soll, passiert nicht wirklich viel. Bis zum Ende. Bis zu den letzten 75 oder 100 Seiten. Denn da wird auf einmal alles rein gedrückt! Und wirklich überraschend, was am Ende dabei rum kommt ist es nicht. Denn… surprise: Imogen ist nicht Schuld an dem Tod des Professors! Die wahre Geschichte ist nämlich viel besser! Naja,eigentlich nicht. Das ganze Ausmaß der Geschichte wäre, wenn es denn über das gesamte Buch hinweg sich langsam aufgebaut hätte, wesentlich spannender und logischer, als das, was uns nun serviert wird. Big Data, Daten-Verkauf, Wahlmanipulation, Fake-News und die Russische-Mafia haben ihre Auftritte und betreten die Bühne genau so schnell wie sie sie auch wieder verlassen. Klingt unglaubwürdig und wirr? Dann wisst ihr ja wie ich mich dabei gefühlt habe. Klar, das Thema “Big Data” und Daten-Diebstahl schwirrt schon die ganze Zeit in dem Buch herum- Ehrlich gesagt wird es einem regelrecht ins Gesicht gedrückt und Imogen schreckt nicht davor zurück es einem immer und immer wieder zu erklären. Und während sie am Anfang noch total euphorisch ist und nicht versteht wieso man dem abgeneigt ist, ist der nächste der es macht wieder der Böse. Ja, er sammelt Daten und verkauft sie an andere Leute weiter, damit diese sie zu ihren eigenen Zwecken nutzen können. Was anderes empfiehlst du aber auch nicht Imogen. Du verkaufst die Daten vielleicht nicht an die russische Mafia, aber sonderlich besser ist das, was du da tust auch nicht. Also runter vom hohen Ross. Hannahs Rolle in diesem ganzen Heckmeck ist auch nicht viel nennenswerter. Nicht nur handelt sie gegen jeden Menschenverstand, sie behindert die Ermittlungen nur noch mehr als es gut ist für sie. Sie “ermittelt”, wenn man das so nennen darf, neben Imogens Kapiteln her und die Erkenntnisse die man dadurch erlangt sorgen nicht wirklich für den “Aha”-Moment. … viel eher für einen “urgh”-Moment. Und das schlimmste? Selbst wenn man das alles überstanden hat, die Story hat über sich ergehen lassen (inklusive uninteressanter Nebengeschichte von Neben-nebencharakteren) und es auf die Zielgerade schafft… endet das Buch offen. Ich wäre nicht ansatzweise so sehr von diesem Ende genervt, wenn das ganze Tam-Tam zuvor nicht so schrecklich gewesen wäre. 3. Social Media im Wandel der Schneeflocken Es folgt ein Rant. Warum war Imogen Collins Influencerin? Warum musste sie auf Instagram sein? Warum war es wichtig, die Instagram-Posts vor die Kapiteln zu setzen? Um zu sehen, wie die Likes runter gehen? Die ganze Tatsache mit Instagram trägt absolut nichts zur Geschichte bei und wird ab der Hälfte des Buches eh fallen gelassen. Warum also war der Fakt, dass Imogen eine ach so großer Influencerin ist so wichtig? Imogens Social Media Leben ist absolut unwichtig, trägt nichts zum Buch, zur Ermittlung oder zu ihrer Charakterentwicklung bei. Es füllt das Buch nur weiter mit nutzlosen Informationen ohne einem gewissen Zweck dienlich zu sein. Gut, bringen wir es hinter uns. 4. Die Moralkeule Ich habe nichts, ich wiederhole, absolut gar nichts, gegen Aufklärung in Zeiten von Internet und Social-Media. Vor allem dann nicht, wenn wir von einer Plattform wie Instagram reden, auf der scheinbar alles mehr Schein als Sein ist. Es ist wichtig darüber zu Informieren und jungen Nutzern klar zu machen, dass das, was da gezeigt wird, nicht immer der Wahrheit entspricht. Auch was es mit Big Data auf sich hat und was mit unseren Daten passiert, die wir alle jeden Tag ins “Wörld Weit Wäb” posaunen, ist kein unwichtiger Teil, des Lebens im Internet. Aber….mit “cleveren Social-Media-Bezügen” hatte das dann doch recht wenig zu tun. Hannah erzählt einem so gut wie gar nichts über ihren Social-Media Account, und das was von Imogen kommt ist unglaubwürdig. Gefeierter Instagram-Star, aber alles ist ganz furchtbar. Passt nicht so ganz. Auch ist prinzipiell alles an dieser glitzernden Internetwelt furchtbar. Es gibt nichts positives zu erzählen. Alles ganz schrecklich. Die Moralkeule wird hier andauernd geschwungen, sehr zum Leid der, eh schon eher lauen Geschichte. Imogen schweift immer wieder in große Reden über ihre Aufgaben bei London Analytica aus, lobt diese Teilweise in den Himmel, und will mir dann erzählen das Instagram, Facebook und Co böse sind? Das Buch präsentiert einen Fakten, die jeder, der sich auch nur halbwegs mit dem Internet beschäftigt hat schon kennt, als ein Wissen aus einer anderen Dimension. Als Leserin fühle ich mich an dieser Stelle einfach nur veräppelt. Gute, nützliche Informationen, deren Komplexität vereinfacht wurde, werden Staubtrocken in einem Blocksatz runtergeschrieben und es wird Verlangt, dass ich als Leser es in mich aufnehme, wie die Antwort nach der Frage nach dem Sinn des Lebens. Informationen die jeder Mensch nach dreißig Sekunden googlen herausfinden kann werden als neue Weltordnung dargestellt. Kann man so machen… sollte man aber nicht. Fazit: Ich habe mich bestimmt ein halbes Jahr auf dieses Buch gefreut und wurde überrascht mit flachen Charakteren, einer trockenen, einseitigen und zum Ende hin wirren Story und der typischen Moralkeule, dass das Internet nicht nur Neuland sondern auch böse ist. Der Krimi-Anteil war mir zugering, das Ende ein Schlag ins Gesicht. Ich habe tatsächlich nur weiter gelesen weil 1. ich wissen wollte ob ich recht behalten würde mit meiner Vermutung wie das Ende abläuft und 2. weil es dann auch irgendwann zu spät war abzubrechen. “Das dunkle Flüstern der Schneeflocken” erhält von mir einen von 10 möglichen Punkten und damit keine Leseempfehlung.

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