Profilbild von thursdaynext

thursdaynext

Posted on 26.12.2020

Reisen durchs alte Russland „Der Bär und die Nachtigall“ Katherine Ardens Debütroman war ein Highfantasy Erlebnis. Die junge, in Texas geborene Autorin, die russische und französische Literatur in Vermont studierte und auf Hawai und in Frankreich lebte hat einen mythisch, poetischen, geschichtlichen Roman verquickt mit russischen Märchen und Sagen und dem dazugehörigen Schuss Magie hingelegt, der mich völlig mitgerissen hat. In „Das Mädchen und der Winterkönig“ knüpft sie an die Geschichte des Mädchens Wasilisa an, schildert ihr Erwachsenwerden in einer Zeit in der auch höhergeborene Mädchen keinerlei Möglichkeit zur Entfaltung haben. Sie werden wohl behütet eingesperrt. Russland ist im Entstehen, im 11. Jahrhundert in dem dieser Roman spielt, der Einfluss der Kirche vertreibt die animalistischen Glaubenskonstrukte und die rigide Sexualmoral der damaligen Zeit legt die Regeln, natürlich nur für das weibliche Geschlecht, extrem eng aus. Ausbrechen ist faktisch nicht möglich, so wird aus Wasilisa der Junge Wassili Petrowitsch. Beschützt vom Winterkönig und ihrem zauberischen Hengst Solowej macht sich Wasja auf den Weg um ihre Familie zu finden. Ihre Schwester Olga im entstehenden Moskau und ihren geliebten älteren Bruder Sascha. Der als erstaunlich abenteuerlustiger und kriegerischer Kirchenmann im politischen Dienst des Fürsten von Moskau Dmitri Iwanowitsch steht. Auch Wasjas Antagonist, der Priester der sie bereits im ersten Roman verfolgte erscheint wieder auf der Bildfläche. Spannend und malerisch breitet Katherine Arden die Geschichte des zweiten Bandes aus. Die Atmosphäre ist unwiderstehlich eingefangen und das Leben der Menschen anschaulich erzählt. Ein hartes Leben, wie immer für jene die nur wenig besitzen außer ihrem Leben noch härter als für die Hochgestellten. Hier gibt es keinen Platz für junge Frauen mit dem Drang nach Freiheit. Das ist auch der einzige Kritikpunkt an „Das Mädchen und der Winterkönig“. Viele Male beschreibt die Autorin, die Unmöglichkeit eines freigewählten Lebens für das Mädchen Wasja, und die Gefahr die aus ihrer Verkleidung als Junge besteht. Mehr Zutrauen in das Verständnis der LeserInnen für diese Tatsache ohne sie permanent, fast schon penetrant zu erwähnen wäre wünschenswert gewesen. Der Fokus in diesem Roman liegt auf der Entwicklung Russlands vom magischen hin zum politischen. Die Tartaren, die Khane, Moskaus Anfänge, all das läutet eine neue Zeit ein. Die Magie muss dem weichen und diese gesellschaftliche Entwicklung ist wenig vorteilhaft für die Poesie und die magischen Wesenheiten die sich die Menschen dort jahrhundertelang als Mitbewohner vorstellten. Die Engstirnigkeit und der zunehmende Machtanspruch der Kirche tun ein Übriges um die Poesie zu erledigen. So sind die fantastischen, mythischen Elemente des Romans im Sterben begriffen und „Das Mädchen und der Winterkönig“ ein Sittenbild dieses Niedergangs. Quasi der „Triumph“ der Menschen über die Natur, der, wie sich Jahrhunderte später zeigen wird, nur ein Trugschluss ist. Leben ist nur mit der Natur möglich, ohne sie sie gibt es nichts. So ist dieses, in der Vergangenheit angesiedelte fantastische Märchen mit Bezug zu altem Volksglauben, abgesehen von der Redundanz über das Elend der damaligen Unfreiheit der Frauen wieder ein großartige erzähltes Fantasy Highlight für anspruchsvolle LeserInnen, perfekt passend zur Jahreszeit mit Möglichkeit zum „Weltwechsel“. Hinterlässt es einen doch zutiefst dankbar für Errungenschaften wie Heizung, Dusche, fliessend Wasser, Strom und Feminismus. ;)

zurück nach oben