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Das ist er also, der zweite Teil von Bob Woodwards Begleitung der Präsidentschaft Donald Trumps. Besonders, weil ein Unterschied zum ersten Teil ›Furcht‹, beruhte damals noch alles höchstens auf Informationen aus dem Umfeld des Präsidenten, so ließ sich Trump für dieses Buch nun auch selber interviewen. Wohl auch, um sein Bild ins rechte Licht zu rücken – was man wohl als übermotiviert und erwartungsgemäß gescheitert betrachten darf. Trotzdem wird der Einblick durch die O-Töne noch mal um einiges besser. Auch wenn die oft ziemlich weh tun. Körperlich. Auch wenn sich ›Wut‹ im Kern weitgehend um den Nordkorea-, den China-Konflikt und die Covid-19-Pandemie dreht, beginnt Woodward das Buch im November 2016, also zu Zeiten des President-Elect Donald Trump. Woodward zeichnet dabei insbesondere die Wege von James Mattis, Rex Tillerson und Dan Coats ins Schattenkabinett des künftigen US-Präsidenten nach. Was sie trieb, wie sie sich überzeugen ließen und welche persönlichen Konflikte dabei auftraten – denn solche gab es durchaus. Hier geht er dem Reportageformat entsprechend sehr neutral mit den einzelnen Beteiligten um. Das ist vom journalistischen Standpunkt her gut, trotzdem muss ich es kritisieren, weil insbesondere diejenigen, die von Trump selber überzeugt sind, dabei zu unkritisch wegkommen, während Woodward später mit diesem journalistischen Anspruch hadert. Dazu unten mehr. Was mit ›Wut‹ tatsächlich wieder gut gelingt, ist die Abbildung des organisatorischen Chaos‘ der Präsidentschaft. Die schließt sich nahtlos an ›Furcht‹ an, wo sie im Fokus lag. Woodward fängt den verzweifelten Kampf insbesondere des DNI Dan Coats glaubhaft und ziemlich mitreißend ein, wenn er schlicht versucht, seinen Job nach seinen persönlichen Maßstäben zu machen, dabei aber ständig aus der Ecke behindert wird. Die persönliche Verzweiflung ist mit Händen greifbar. Ende 2019, also kurz vor Beginn des letzten Jahres seiner Amtszeit beginnen dann die 17 Interviews mit Donald Trump selbst, die Woodward meist im Wortlaut wiedergibt. Zusammen mit dem Briefwechsel zwischen Trump und dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-un bilden sie wohl den spannendsten Teil von ›Wut‹, weil sie persönlicher als alles andere an Trump heran führen. Besonders die Interviews zeugen von einer kolossalen Selbstüberschätzung bei weitgehender Unwissenheit und Beratungsresistenz des Präsidenten. Wie schwer dieser Teil der Recherche auch Woodward gefallen sein muss, zeigt sich im Verlauf der Interviews. Denn inhaltlich ändert sich mit der Zeit da einiges, besonders mit Fortschreiten der Covid-19-Pandemie und dem katastrophalen Krisenmanagement der US-Administration. Woodward verlässt den strikt journalistischen Pfad und beginnt – erst vorsichtig, später immer eindringlicher – seinen Zugang zu Trump nutzen zu wollen, um ihn zu einem ernsthafteren Umgang mit der Pandemie zu bewegen. Das kann ich angesichts des katastrophalen Verlaufs in den USA einerseits verstehen, andererseits komme ich hier aber wieder zurück zu meiner Kritik vom Anfang. Denn wenn Woodward den journalistischen Anspruch in einem für das Buch so zentralen Bereich schleifen lässt, könnte er auch die eingangs erwähnten Amtsträger kritischer beurteilen. Aus heiterem Himmel sind die meisten von denen nämlich wohl kaum im Sumpf der Administration gelandet. Ein Mike Pence beispielsweise ist auch ohne Trump keine unproblematische Figur. Da mutet es für mich schon merkwürdig an, wenn sein evangelikaler Hintergrund im Buch vor allem als geistiger Rückhalt im Sinne von »schlimme Zeiten, aber Gott hat mich ausgewählt, damit es nicht noch schlimmer wird« beschrieben wird. Trotzdem, die Interviews sind das bemerkenswerteste, was das ganze Buch liefert. Und in einem dieser Interviews findet sich auch das vielleicht beste Mittel zur Charakterisierung Donald Trumps. Es geht dabei um die sog. Ukraine-Affäre, die auch ein juristisches Nachspiel hatte. Trump hatte Hilfsgelder an die Ukraine hinter geschlossenen Türen an die Bedingung geknüpft, dass die Ukraine Ermittlungen wegen Korruption gegen Hunter Biden forciert. Bob Woodward versucht im Interview nun, Trump zu erklären, warum es juristisch einen gewaltigen Unterschied macht, ob man den gemeinsamen Kampf gegen Korruption fördert oder Ermittlungen gegen Angehörige eines politischen Konkurrenten mit der Vorenthaltung von finanziellen Hilfen erpresst. Er gibt sich da wirklich Mühe und man kann seine Verzweiflung quasi zwischen den Zeilen lesen. Trump hingegen versteht diesen Unterschied beim besten Willen nicht und greift vehement die ach so unfairen Ermittlungen gegen ihn an – das ist der Teil, den man auch in den Medien, insbesondere auf Twitter, minutiös verfolgen konnte. Bemerkenswert ist dabei die Erkenntnis, dass der Horizont des scheidenden Präsidenten tatsächlich so beschränkt ist, wie es sein öffentliches Auftreten vermittelt, und eben nicht nur eine umfassende und ziemlich erfolgreiche Kommunikationsstrategie. Abschließend sei gesagt, dass ›Wut‹ nach ›Furcht‹ wieder bemerkenswerte Einblicke liefert. Bob Woodward kommt aufgrund seiner langjährigen Reputation außergewöhnlich nah an die US-Präsidenten heran, da macht selbst Donald Trump keinen Unterschied. Damit und mit der akribischen Recherche bietet das Buch einen tiefen Einblick in Charakter und Funktionsweise auch dieser Präsidentschaft.