jutsi
Lisa Unger beleuchtet in ihrem Thriller „Die treue Freundin“ die Themen Trauma, Vergangenheitsbewältigung und Selbstjustiz. Wie werden wir zu dem, was wir sind? Und wie findet man nach einem traumatischen Erlebnis zurück ins Leben? Rain Winter, die Protagonistin, ist eine gestandene Journalistin, deren Welt sich mittlerweile hauptsächlich um ihre kleine Tochter dreht, die sie in Elternzeit betreut. Als Kind traf sie auf einen Entführer, der Jahre später selbst Opfer eines Mordes wurde. Das alles scheint zunächst in Rains Leben keine große Rolle mehr zu spielen. Doch direkt zu Beginn des Buches geschieht ein ganz ähnlicher Fall: Ein Mann, der wegen Mord an seiner Frau angeklagt war, aber freigesprochen wurde, wird ermordet aufgefunden. Rain, die diesen Fall vor ihrer Elternzeit journalistisch betreut hat, ist direkt wie gefesselt und beginnt zu recherchieren. Dabei gerät sie zunehmend in ein Spannungsfeld – ihre heile Welt und Rolle als fürsorgliche Mutter auf der einen Seite, auf der anderen Seite der Wunsch, sich ihrer Vergangenheit endlich zu stellen, auch wenn sie sich damit in Gefahr begibt. Lisa Unger wechselt in der Erzählung schnell zwischen verschiedenen Perspektiven: Wir lernen den Mörder aus der Ich-Perspektive kennen und erleben dann Rains Gegenwart. Schnell wird deutlich, dass ein Zusammhang beider Geschichten besteht. Immer wieder werden auch Auszüge aus Rains Vergangenheit eingeschoben und erfahren wir, was damals mit ihr passiert ist. Für mich war der Thriller durch diesen Perspektivwechsel spannend und kurzweilig zu lesen. Durch die atmosphärisch dichte Beschreibung des Mordes zu Beginn ist es einfach direkt in die Geschichte einzutauchen. Lisa Unger kommt dabei ganz ohne riesige Sensationen und Leichenberge aus, mit denen sich andere Thriller heutzutage häufig ständig übertrumpfen. Trotzdem ist das Buch für mich kein 5-Sterne-Erlebnis. Warum? Das ist schwer zu beschreiben, ohne zu viel von der Handlung preiszugeben. Für mich als Leserin hätte das Rätsel gerne noch etwas schwieriger zu knacken sein dürfen und auch den letzten Teil hätte ich mir etwas anders gewünscht. Ab und zu erschienen mir die Handlungen von Rain etwas unglaubwürdig. Insgesamt habe ich mich aber gut unterhalten gefühlt – ein schöner Thriller für kuschelige Winterabende, der sich schnell und einfach weglesen lässt!