Buchdoktor
Der Mann nennt sich Hig. Big Hig. Mehr braucht er nicht; denn eine Grippe-Pandemie haben nur wenige Menschen überlebt. Hig, sein Hund Jasper und Bruce haben sich auf dem Gelände eines kleinen Flughafens nahe der Rocky Mountains niedergelassen. Bis auf die an einer Käferplage zugrunde gehenden Wälder und das Verschwinden der Bachforellen steht dem Überleben einer begrenzten Anzahl handwerklich geschickter Menschen wie Hig offenbar nichts entgegen. Außer dem Inseldasein auf dem Flugplatz muss es weitere bewohnte Bereiche geben; denn immer wieder tauchen im Revier der beiden Männer andere Überlebende auf. Ohne große Worte teilen Hig und Bruce sich die Bewachung ihrer "Zone" gegen vermeintliche Angreifer. Bruce verfügt über ein umfangreiches Waffenarsenal und hat zu ihrer Verteidigung den Bau eines Wachturms organisiert. Hig konnte bisher immer noch Flugbenzin für seine kleine Cessna 182 auftreiben, mit der er Patrouillenflüge unternimmt. Seine Flüge führen ihn wie einen freundlichen Helfer, den der Himmel schickt, regelmäßig in eine kleine Mennonitengemeinde, deren Bewohner zwar die Grippewelle überlebten, aber an einer unheilbaren Blutkrankheit leiden. Bruce hätte gegen diese Besuche mit Sicherheit allerlei Einwände vorzubringen. Schon bald spürt man als Leser die Unvereinbarkeit der beiden Charaktere. Hig wirkt mit seinem geliebten Hund, dem Gemüsegarten und seinen Flügen wie ein glücklicher Mensch, während Bruce keinen anderen Lebensinhalt als das Abknallen vermeintlicher Konkurrenten kennt. Die Notgemeinschaft mit Bruce steht in völligem Widerspruch zu Higs Persönlichkeit. So lange womöglich der letzte Überlebende in einer auf den Radius des Flugzeugs beschränkten Welt zu sein, bis eines Tages der Treibstoff in den Lagertanks nicht mehr brauchbar sein wird, passt einfach nicht zu einem Mann wie Hig. Schon vor Jahren hat Hig einen schwachen Funkspruch aufgefangen, der ihm vor Augen führte, dass auch andere Menschen noch über Elektrizität verfügen. Der Gedanke an den Funkspruch hat ihn seitdem nicht mehr losgelassen. Nun stellt sich die spannende Frage, welche Konsequenzen Hig aus seiner unbestimmten Sehnsucht nach der Welt da draußen ziehen wird. Higs in der Ichform erzählte Geschichte sprudelt aus ihm heraus wie aus einem Menschen, der lange keinen Gesprächspartner mehr hatte. Gleich zu Beginn wird deutlich, dass Hig nicht wagt, glücklich zu sein, solange er in der Zweckgemeinschaft mit Bruce verharrt. Die Symbolik der Geschichte blinkt zwar überdeutlich wie eine Reklametafel, Higs Charakter ist jedoch so interessant, dass sich mit der Moral nicht weiter aufhalten muss, wer das nicht schätzt. Higs Entwicklung von der Formulierung seiner Wünsche bis zu ihrer Umsetzung fand ich ungeheuer spannend. Einerseits wollte ich am liebsten sofort erfahren wie die Geschichte ausgeht, aber das Buch auch möglichst lange auskosten. Auf meiner Leseliste bleibt "Das Ende der Sterne wie Big Hig sie sah" ein aus der Masse der Dystopien herausragender utopischer Roman.