Gabriele
Erst 2006 vom Westen in den Osten gekommen, erlebe ich sehr häufig eine unterschiedliche Sicht auf die Sachlage des Alltags. Auch wenn die Grenze aus den Köpfen oft klein geredet wird, ist sie immer noch vorhanden. Warum das so ist, wollte ich mit diesem Buch erkunden. Ines Geipel, geboren 1960 in Dresden, beschreibt anhand ihrer Familiengeschichte, was im Osten anders lief. Sie selbst hat ihrem Heimatland 1989 den Rücken gekehrt und lebt nach den Jahren in Westdeutschland, wo sie Philosophie und Soziologie studierte, als Professorin in Berlin. Sie hat bereits mehrere Bücher zur Geschichte des Ostens publiziert. In der „umkämpften Zone“ verarbeitet sie zum einen den Verlust ihres Bruders, der ihr in der Kindheit sehr nahe stand. Gerade die Szenen aus Dresden und dem Umland haben mich sehr berührt, da ich die Gegend sehr liebe. Wer Dresden kennt, dem wird das Herz beim Blick auf das Cover, das den Luisenhof und die Standseilbahn zeigt, aufgehen. Doch eigentlich geht es in diesem Sachbuch mit den vielen persönlichen Einflechtungen um eine Abrechnung der Autorin mit der DDR-Vergangenheit. Schon vor der Gründung der Republik begann das große Schweigen. „Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben“, soll Walter Ulbricht gesagt haben (Seite 53). Die deutsche Nazi-Vergangenheit wurde niemals aufgearbeitet. Schon bald nach dem Krieg wurden jüdische Friedhöfe in Karl-Marx-Stadt und Zittau geschändet. „Die Öffentlichkeit durfte allerdings nicht davon erfahren.“ (Seite 135) So ging es weiter bis zur Wiedervereinigung. In den Augen der Autorin sind die über mehr als 50 Jahre durchgehende Diktaturerfahrung und die große Verunsicherung nach dem Mauerfall mit verantwortlich für die explodierenden Zeitbomben in Hoyerswerda (1991) und Rostock-Lichtenhagen (1992). In diesem Milieu fanden Reichsbürger, Pegida und AfD den idealen Nährboden. Ich habe in diesem Buch vieles erfahren, was mir bisher gar nicht bekannt war und möchte es all denen empfehlen, die mehr über die unterschiedliche Vergangenheit der Menschen in Deutschland wissen wollen. Vielleicht hilft gegenseitiges Verständnis eines Tages dazu, endlich die Grenze in den Köpfen fallen zu lassen.