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Buchdoktor

Posted on 18.12.2020

Lebensräume des Kranichs, nach dem Margo Cranes Familie sich nennt, sind u. a. Flussufer und Sümpfe. Margo fischt, jagd und durchquert den Fluss Stark River schwimmend, um ihre Cousins im gegenüberliegenden Haus am anderen Flussufer zu besuchen. Als ihr Idol hat sie die Kunstschützin Annie Oakley erkoren. Margo schießt wie der Teufel und kann sich in ihrem Jagdeifer außerhalb der Jagdsaison kaum bremsen. Bisher blieb Margos Sucht etwas abzuknallen unentdeckt, noch hat sie niemand wegen Wilderei angezeigt. Umgeben ist das Mädchen fast ausschließlich von Männern, ihrem Vater, einem Onkel, Cousins, sowie diversen Kumpels der Erwachsenen, die zum Fischen und Jagen an den Fluss kommen. Männer macht Margo mit ihren einzigartigen Schießkünsten einfach fertig. Da Margo seit kurzem nicht mehr wächst, hält die 16-Jährige sich endlich für erwachsen - doch das ist sie mit Sicherheit noch nicht. Eine enge Beziehung verband Margo mit ihrem Großvater, von dem sie alles über den Fluss gelernt hat und der ihr nach seinem Tod sein Boot vererbte. Die wichtigste Wissen über den Stark River ist, dass man dessen eigenen Willen respektieren muss. Für Menschen wie Margo, die ihr Leben am liebsten allein in der Natur verbringen, gibt es wenig Raum in unserer Welt; bis auf seltene Jobs für Wildhüter oder Biologen. Der zu einfache Zugang zu Waffen erhöht bekanntlich das Risiko von tödlichen Zwischenfällen im privaten Bereich. So verursacht Margos Vernarrtheit in ihr Gewehr ein Missverständnis, das ihren Vater das Leben kostet. Margo verlässt mit Boot und Gewehr ihr Elternhaus, um auf dem Wasserweg die Spur ihrer verschwundenen Mutter aufzunehmen. Unterwegs benutzt sie Sexualität als Tauschwährung, um kurzfristig bei allein lebenden Männern unterzuschlüpfen. Eine erstaunliche Wende kündigt sich an, als Margo zwei betagte Herren kennenlernt, von denen selbst sie noch lernen kann und die ihr mehr zu bieten haben als sexuelle Abhängigkeit. Margos krasser Umgang mit Sexualität lag bis zu diesem Zusammentreffen hart an der Grenze zur Selbstverletzung. Margo lebt ähnlich einem weiblichen Huck Finn das Leben einer Räuberin; auf ihrer abenteuerlichen Reise rechnet sie jederzeit mit Verfolgern in ihrem ureigenen Revier. Ihre Beziehungen zu miteinander konkurrierenden Männern bergen dabei für sie größere Gefahren als das Leben unter freiem Himmel. Mit Margo ist Bonnie Jo Campbell eine hinreißend widersprüchliche, freiheitshungrige Heldin gelungen, die sich kaum um Konventionen oder Gesetze schert. Wer sich mit Margos krasser Promiskuität abfinden kann, erlebt gemeinsam mit Campbells jugendlicher Heldin eine moderne Abenteuergeschichte am und im Wasser, die mich durch ihre Naturschilderungen beeindruckt hat.

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