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DasIgno

Posted on 17.12.2020

Romance also. Das ist normalerweise so überhaupt nicht mein Genre. Dass ich im Falle von Talia Hibberts ›Kissing Chloe Brown‹ eine Ausnahme gemacht habe, liegt an ihrer Genre-Selbstbeschreibung: Sexy Diverse Romances. Divers macht für mich den Unterschied und dass Hibbert nicht nur eine Schwarze Autorin ist, sondern darüber hinaus mit Fibromyalgie bei Chloe über eine Krankheit schreibt, unter der sie selber leidet, kommt als Entscheidungshilfe noch obendrauf. Kissing Chloe Brown ist dabei der erste Teil einer Trilogie um die Brown-Schwestern Eve, Dani und eben Chloe. Jeder Band dreht sich um eine der drei Schwestern, der erste um Chloe. Chloe Brown also. Chloe ist eine junge Schwarze Frau aus gutem Hause. Allerdings hat es das Leben bei Weitem nicht so gut mit ihr gemeint, wie das jetzt klingt. Sie hat Fibromyalgie, lebt also u.a. mit chronischen Schmerzen, und kommt in diesem Zusammenhang aus einer toxischen Beziehung. Ihr Leben hat sie umgekrempelt, lebt jetzt alleine in einer kleinen Wohnung. Als sie eines Tages fast überfahren wird, fasst sie einen Entschluss: Eine Liste der Dinge, die sie machen will, um der Mensch zu werden, der sie eigentlich sein will. Da kommt unerwartet der Künstler und Hausmeister ihres Wohnblocks Red Morgan ins Spiel. Auch er macht gerade nicht die beste Phase seines Lebens durch, auch er kommt aus einer toxischen Beziehung. Mit seinem künstlerischen Schaffen klappt es nicht mehr und ganz allgemein geht es mit ihm eher bergab als bergauf. Chloe und er fallen sich zwar auf, die Begegnungen beschränken sich zunächst aber auf beißende Abweisung seitens ihr. Bis die beiden merken, dass sie gut füreinander sind. Über Liebesgeschichten kann ich eigentlich nicht viel sagen. Für mich verlaufen sie immer ziemlich ähnlich und vorhersehbar und leben eigentlich hauptsächlich vom Mitfiebern, ob sich die Protagonist:innen denn am Ende kriegen, obwohl man genau weiß, dass es darauf hinaus laufen wird. Darum verlagere ich mich hier mal auf die Bereiche, wegen denen ich ›Kissing Chloe Brown‹ überhaupt gelesen habe: Diversität. Hier bin ich recht begeistert von der Umsetzung. Chloe wird nicht, wie das öfter passiert, auf die Eigenschaften beschränkt, die sie zu einer marginalisierten Person machen. Insbesondere ihre Krankheit und die erheblichen Einschränkungen, die sie durch die erlebt, finden nicht herausgestellt, sondern beiläufig wie das Normalste der Welt statt. Wie sie für Chloe eben auch das Normalste der Welt sind. Nicht schön, aber eben auch nicht zu ändern. Trotzdem nimmt die Fibromyalgie durch ihre alltäglichen Folgen für Chloe natürlich eine zentrale Rolle ein – nur eben keine, die als besonders oder anders herausgestellt wird. Das gefällt mir gut, denn Krankheiten oder Behinderungen sollten nicht als unnormal behandelt werden. An der Stelle sticht sicherlich auch Red heraus, der auf beeindruckende Weise besonders mit der Krankheit umgeht. Eben so, wie man es von Partnern erwarten können sollte. Im Gegensatz zur Fibromyalgie findet Chloes Schwarzsein im Prinzip überhaupt nicht statt. Es wird erwähnt, aber das war es auch schon. Hier bin ich mir tatsächlich nicht ganz sicher, wie ich das finden soll. Einerseits wird es so eben auch implizit normalisiert, andererseits beschränkt sich das alltägliche Leben dann auf eine weiße Vorstellung – jedenfalls bei weißen Leser:innen. Weil ›Kissing Chloe Brown‹ Romance ist und damit Gesellschafts- und Rassismuskritik nicht unbedingt Bestandteil sein müssen – Romance ist in der Hinsicht ja doch meist eher leicht verdauliche Unterhaltung – würde ich das verschmerzen. Weil Hibberts Selbsteinordnung aber explizit Diverse Romance ist, tue ich mich ein bisschen schwer damit, die Schwarze Perspektive nicht expliziter einfließen zu lassen. Nicht zwingend explizit mit rassismuskritischen Elementen, aber eben Elemente des Alltagslebens. Ich bin da zwiegespalten. Was ich hinsichtlich der Schwarzen Perspektive aber positiv hervorheben möchte, ist das Verhältnis von Chloe und Red. Die sind nämlich beide auf ihre Weise kaputt. Die Erzählung ist nicht, dass der heroische weiße Red die kranke Schwarze Chloe retten muss, wie es leider ziemlich oft passiert – Stichwort ›white saviourism‹. Chloe und Red sind beide auf ihre Weisen in einer psychisch schwierigen Verfassung und durch ihre jeweilige Vergangenheit erheblich vorbelastet. Die Geschichte ist eine einer gegenseitigen Rettung und das recht gleichberechtigt, wenn auch nicht immer auf gleiche Weise. Das gefällt mir ziemlich gut. Wenig zu meckern gibt es auch am Attribut Sexy. ›Kissing Chloe Brown‹ weist nicht wenige explizite Passagen auf, die finde ich weitgehend gut umgesetzt. Ein bisschen problematisch erschien mir stellenweise Red, der sich ein ums andere Mal erheblich zusammenreißen muss, um in der Phase vor der Beziehung nicht über Chloe herzufallen. Im Kontext liest sich das schon fast wie kurz vor dem sexuellen Übergriff und entproblematisiert wird es im Prinzip nur, weil Chloe es wohl sehr begrüßen würde. Nur dass Red das eben nicht wissen kann, wodurch die Entproblematisierung eigentlich nicht funktionieren kann. Content Warnungen kann ich mir bei dem Genre wohl eigentlich sparen. Dass es explizite Beschreibungen sexueller Handlungen gibt, gehört da einfach dazu. Ich könnte mich jetzt darüber auslassen, wie viele eher unschöne Bezeichnungen es im Deutschen für den unteren weiblichen Intimbereich gibt und dass bei expliziten Übersetzungen quasi immer zahlreiche davon Verwendung finden müssen – aber letztendlich ist das auch wieder Geschmackssache. Am Ende bleibt ›Kissing Chloe Brown‹ eine ganz schicke Liebesgeschichte mit einem gut umgesetzen, literarisch leider noch etwas spezielleren Charaktersetting. Insofern eine Empfehlung für Freund:innen des Genres und Leser:innen, die sich mal anschauen wollen, wie man Figuren abseits der Norm auch konstruieren und verwenden kann.

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