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Eigentlich wollte ich ja auf das Erscheinen der neuen Auflage von "Scythe - Das Vermächtnis der Ältesten" als Broschierte Ausgabe warten, damit die Reihe im Regal zusammenpasst. Eigentlich - denn dann grätschte das Ende des zweiten Teils brutal dazwischen. Der Untergang Enduras, der Tod beinahe aller geliebter Protagonisten und das Verstummen des Thunderheads - Ihr erinnert Euch? Kein Wunder, dass ich unbedingt wissen wollte, wie es weitergeht und kein Jahr mehr warten konnte, bis die passende Ausgabe erscheint. Zu meinem großen Glück, hatte jemand aus dem Fischer Verlag Erbarmen mit meiner misslichen Lage und hat mir ein Exemplar in die Post gegeben (Heldin der Woche, by the way). Doch was sage ich jetzt zum Finale der großen Scythe-Trilogie? Dieser dritte Teil bleibt inhaltlich, emotional und atmosphärisch leider etwas hinter dem epischen Mittelteil zurück, findet aber einen würdigen, runden Abschluss für die Geschichte. Aus dem Testament des Toll: "Er stürzte auf sie herab wie der wütende Schlag von Millionen Flügeln, und am Himmel tobte der Donner. Die Reuelosen wurden niedergemacht, doch wer auf die Knie fiel, wurde verschont. Dann verließ er sie, löste sich abermals in einem Sturm aus Federn auf und schwang sich in den ruhigen Himmel empor. Frohlocket!" Das Cover zeigt im Vordergrund einen Mann in lavendelfarbigem Gewand und Stola, der rechts und links von Scythe in waldgrünen Roben flankiert wird. Zusammen mit den schwarzen Sensen, dem dunkelgrünen Hintergrund vor den futuristisch anmutenden Streifen und dem Comic-Titel ergibt sich so ein stimmiges Gesamtbild, das wieder auf zentrale Motive und die eher düstere Stimmung vorbereitet. Der Titel "Scythe", abgeleitet vom englischen Wort für "Sense" passt natürlich auch wieder wie die Faust aufs Auge, auch wenn sich einige Schwierigkeiten bei der Aussprache des Titels ergeben (von "Skiff" über "Skeeeif" bis "Skütje" habe ich schon alles gehört 😂). Zum meinem großen Glück, ist die Covergestaltung des dritten Teils wie auch die der broschierten Ausgaben an die des amerikanischen Originals angelegt, weshalb meine drei Bände trotz des leicht unterschiedlichen Formats gut zusammenpassen. "Vermutlich war es immer so: Wenn das Undenkbare zur Normalität wurde, stumpfte man ab. Sie wollte niemals so sehr abstumpfen." Wenn ich mein Leseerlebnis mit "Scythe - Das Vermächtnis der Ältesten" in einem Satz zusammenfassen müsste, würde ich sagen, dass dieses Finale anders ist, als ich erwartet hätte. Und das beginnt schon beim Anfang. Die Handlung knüpft nämlich nicht direkt an die vielen offenen Stränge von "Scythe - Der Zorn der Gerechten" an, sondern startet mit einem Abstand von drei Jahren zum Untergang Enduras. Statt also wie zuvor auf Basis von Citras und Rowans Erlebnissen die Geschichte zu entspinnen, starten wir hier mit einem Haufen an neuen Protagonisten, die uns über Rückblicke vermitteln, was in den verstrichenen drei Jahren passiert ist. An der Hand haben wir hier nur den in Band 2 liebgewonnenen Greyson Tolliver, der eine der wenigen Konstanten in diesem eher unkonventionellen Start bildet. Klar, Neal Shusterman gibt hier sein Bestes, durch neue und altbekannte Nebenfiguren, die hier mehr ins Zentrum rücken, in die Geschichte einzusteigen und davon abzulenken, dass unsere beiden Hauptfiguren eingeschlossen und totenähnlich auf dem Grund des Meeresbodens liegen, Scythe Curie unwiderruflich tot ist, genau wie die Grandslayer und alle Einwohner Enduras, und Scythe Farraday auf einer einsamen Insel vom Radar verschwunden ist. Trotz all seiner Bemühungen ist dies jedoch nicht die beste Basis für einen packenden Einstieg ins Finale, sodass sich "Scythe - Das Vermächtnis der Ältesten" von Anfang an schwer tat, an die Atmosphäre, Spannung und das Erzähltempo des zweiten Teils anzuknüpfen. "Sie verkörpern die Unschuld, die dem Untergang geweiht ist." Das fand Anastasia auf verschiedenen Ebenen beleidigend. "Ich bin nicht dem Untergang geweiht. Und unschuldig bin ich auch nicht." "Jaja, aber Sie dürfen nicht vergessen, dass Menschen sich aus einer Situation immer das herausnehmen, was sie brauchen. Als Endura sank, brauchten sie jemand, dem sie ihre Trauer widmen konnten. Ein Symbol der verlorenen Hoffnung." "Die Hoffnung ist nicht verloren", beharrte sie. "Sie ist nur verlegt worden." Wir befinden uns also nicht nur nach dem sehr offenen Ende von Teil 2 in der Schwebe, sondern werden mit den wichtigen Fragen, die uns unter den Nägeln brennen auch noch relativ lange im tatsächlichen Einstieg vertröstet. Was ist die Notlösung der Scythe-Gründer? Was hat Goddard mit der Welt vor? Werden Citra und Rowan gefunden werden? Wie kommen die Menschen damit zurecht, dass der Thunderhead sie nun in Kollektivstrafe anschweigt? Was macht Greyson mit der ihm auserkorenen Rolle des einzigen Bindeglieds zwischen Menschen und Thunderhead? Welche Rolle spielen die Tonisten im Plan des Thunderheads? Und was entdecken Faraday und Munira auf dem blinden Fleck? Statt diese Fragen zügig zu beantworten, kommen zu den treibenden Rätseln immer neue hinzu. Denn der Thunderhead scheint plötzlich auf den abgelegenen, neu entdeckten Atollen ein geheimes Bauprojekt zu planen, Limbus-Agenten auf der ganzen Welt starten eine letzte große Reise mit ungewissem Ziel und harmlose, intonierende Tonisten werden zu einer gefährlichen, explosiven Randgruppe... Wohin soll das führen, wenn die Scythe immer mehr außer Kontrolle geraten, der Thunderhead sich nicht einmischen darf und die wichtigsten Führer der Rebellion eingefroren auf dem Meeresgrund liegen...? "Umwälzung", sagte Jerico nüchtern. "Berge entstehen durch Umwälzungen. Ich bin sicher, das sieht am Anfang nicht schön aus. (...) In jeder Katastrophe liegt eine neue Möglichkeit", erklärte Jeri. "Ein Schiff geht unter, und mir beginnt es in den Fingern zu jucken, denn in dem Wrack liegen Schätze verborgen. Denk daran, was ich auf dem Meeresgrund entdeckt habe. Dich!" "Und vierhunderttausend Scythe-Diamanten." Bis auf 100 Seiten vor dem Ende liest sich "Scythe - Das Vermächtnis der Ältesten" eher wie der dritte Teil einer Quadrologie, als wie das Finale - so viele Themen kommen hier mit dazu, sodass meine Fragen immer mehr, statt weniger wurden. Die Auszüge aus den Nachlesetagebüchern bekannter Scythe, die in "Scythe - Die Hüter des Todes" das Geschehen untermauert haben und die Anmerkungen mit Ausführungen, Gedanken und Erklärungen des Thunderheads im zweiten Teil, werden hier ersetzt durch Auszüge aus der religiösen Schrift, "Ein Testament des Toll", Selbstgespräche mit Iterationen des Thunderheads und Auszüge aus Schreiben, Reden und Stellungnahmen der führenden Scythe in verschiedenen Regionen der Welt. Auch durch diese drei verschiedenen eingebundenen Inhalte kommen mehr neue Rätsel ins Spiel, als dass sie gelöst würden. Shustermans gemächlicher Wiedereinstieg in die Geschichte und die nur langsame Aufdeckung der offenen Geheimnisse sorgt deshalb natürlich für ordentlich Spannung und ist ein Garant für ständiges Weiterlesen-Wollen. Leider ist dies aber auch einer meiner größten Kritikpunkte: viele kleine Einzelszenen, lose Puzzlestücke und komplexe Handlungsstränge sorgen zwar dafür, dass es bis zum Ende undurchschaubar bleibt, was Shusterman mit seiner Geschichte vor hat, dadurch steuert die Geschichte im Mittelteil aber etwas ziellos durch internationale Gewässer und es fehlt Bekanntes, an dem wir uns festhalten können. "Er trat einen Schritt zurück, betrachtete Rowan von oben bis unten und taxierte ihn wie ein verblasstes Gemälde, das seinen Reiz verloren hatte. "Du hättest mein erster Unterscythe werden können"; sagte Goddard, "der Erbe des Welt-Scythetums. Und es besteht kein Zweifel, dass es nur noch ein einziges Welt-Scythetum geben wird, wenn ich fertig bin. Das wäre deine Zukunft gewesen." "Wenn ich nur mein Gewissen ignoriert hätte." Goddard schüttelte mitleidig den Kopf. "Gewissen ist nur ein Werkzeug wie viele andere. wenn du es nicht richtig beherrschst, beherrscht es dich - und wie ich dein Gewissen einschätze, hat es dir den Verstand geraubt." Schon im zweiten Teil der Trilogie rückte der Fokus stark von unseren beiden Hauptfiguren ab, um zwei weiteren Handlungsträgern die Bühne zu überlassen: Greyson Tolliver und dem Thunderhead, welche abermals eine tragende Rolle übernehmen und mich mit ihrer seltsam innigen, körperlosen Verbindung (Liebe?) zueinander, berührt haben. Hier geraten Rowan alias Scythe Luzifer und Citra alias Scythe Anastasia noch einmal mehr in den Hintergrund und bilden nur noch eine Art roten Faden für die Betrachtung des globalen Geschehens. Zwischen all den Reisen, großen Events, Zeitsprüngen, Bergungsaktionen und dem ein oder anderen Kampf, bei dem auch die Action nicht zu kurz kommt, gehen die beiden Figuren, die einmal Kernstück der Geschichte war, leider etwas zu sehr unter. Wer also hier eine weitere Vertiefung ihrer Charakterzeichnung oder gar eine amouröse Entwicklung erwartet, wird wohl enttäuscht werden. "Im Laufe der Jahre hatte er Millionen Menschen dabei zugesehen, wie sie in den Armen eines oder einer anderen schliefen. Der Thunderhead hatte keine Arme, mit denen er jemanden hätte umfangen können. Trotzdem spürte er Greysons Herzschlag und seine exakte Körpertemperatur, als wäre er direkt neben ihm. Das zu verlieren hätte ihm unermesslichen Kummer bereitet. Nacht für Nacht überwachte er Greyson stumm in jeder ihm möglichen Weise. Denn das kam führ ihn einer Umarmung am nächsten." Dafür rücken Faraday und Munira etwas mehr in den Fokus des Geschehens und zwei neue Figuren - Jerico, aus Madagaskar stammender Kapitän eines Bergungsschiffs, der unter der Sonne weiblich und unter den Wolken männlich ist und Loriana, vormalige Nimbusagentin und heimliche Leiterin der Thunderhead-Mission im "Land Nod". Vor allem Jerico und das mit ihm/ihr aufkommende Thema des Geschlechterdualismus und der impliziten Kritik am binären Geschlechtersystem hat mich sehr fasziniert. Die beiden konnten aber leider -wie alle anderen kunstvollen Weiterführungen der Story- nicht darüber hinwegtäuschen, dass ohne Citra und Rowan im Vordergrund der Geschichte etwas Essentielles fehlt. Demnach habe ich diesen dritten Teil als weniger emotional und berührend empfunden. Natürlich spürt man die Spannung weiterhin, man fiebert aber nicht mehr so mit und ist eher ein distanzierter Beobachter der Geschehnisse. So habe ich mit Faszination zwar und einer ordentlichen Portion Demut vor dem Talent des Autors die Geschichte verfolgt, mich aber nicht mehr emotional reingehängt, wie zuvor. "Du bist eine schreckliche Person", sagte der Thunderhead. "Du bist eine wundervolle Person." "Na, was denn jetzt?", wollte Greyson wissen. Und die Antwort, die er leise, ganz leise bekam, war keine Antwort, sondern eine Frage. "Warum verstehst du nicht, dass die Antwort -beides- lautet?" Neal Shusterman stellt hier das Große und Ganze seines Settings, die weltpolitische Wendung, die Entwicklungen innerhalb des Scythetums aber auch den Vormarsch der Tonisten und das Aufkommen von extremistischen Zischersekten in den Vordergrund. Während der erste Teil sich vor allem auf die Einführung der Welt und die psychologischen Folgen der Scythe-Ausbildung auf die beiden Protagonisten fokussiert hat und es im zweiten Teil um die politischen Folgen der Wahlen eines neuen High Blade, die gesellschaftlichen Experimente des Thunderheads und Faradays Suche nach einem Notausschalter des entgleisenden Scythetums ging, wird Shusterman hier nochmals politischer und weitet seinen Blick auf die ganze Welt aus. Auch in seinem großen Finale lässt es sich der Autor nicht nehmen, viele gesellschaftskritische und politisch wie psychologisch höchst relevante Themen wie Religion, Verschwörungstheorien, Sekten, Politikverdrossenheit, Anarchie, Stillstand, Macht oder Gerechtigkeit anzubringen. Dadurch kommen natürlich einerseits wieder viele neue spannende Ideen zur Sprache und die Gesellschaft zwischen Utopie und Dystopie wird nochmals komplexer und vielschichtiger. Auf der anderen Seite holt der Autor etwas weiter aus, als in diesem Finale nötig gewesen wäre, lässt sich viel Zeit zu Beginn und macht seinen Reihenabschluss somit ein bisschen schwerfälliger als erwartet. "Sie war nicht ausgebildet für und vorbereitet auf die Verantwortung, Leben zu beenden. Sie hatte jetzt größerem Respekt vor den seltsam gewandten Geistern, denn man musst ein außergewöhnlicher Mensch sein, um diese Verantwortung täglich zu übernehmen. Entweder ein Mensch, der gar kein Gewissen hatte, oder einer, dessen Gewissen so tief und standhaft war, dass er seine Mitte auch im Angesichts der Verloschenen wahren konnte." Das hielt mich jedoch nicht davon ab, die Geschichte in wenigen Tagen durchzusuchten und gespannt auf die Lösung zu warten, die der Autor für dieses komplexe und wohl ausgeklügelte Durcheinander bereithalten würden. Des Weiteren war ich natürlich auch nach wie vor tief beeindruckt von Shustermans Schreibstil, der die treibende Spannung eines Thrillers gekonnt mit der Einfühlsamkeit eines Jugendromans und der gedanklichen Tiefe eines akademischen Gedankenexperiments verbindet. Die vielen enthaltenen Gedanken über Sterblichkeit, Tod, Stagnation, Inspiration, Verantwortung und Intensität von Leben machen die Geschichte trotz ihrer "Andersartigkeit" zu einem atmosphärisch dichten, spannenden Roman. Zwischen den 608 Seiten gibt es so viele leise Spitzen, kluge Bemerkungen und messerscharfe Beobachtungen, in denen man auch einen Bezug zu aktuellen Vorgängen in der Realität sehen kann, dass die grundsätzlich absurde und makabre Idee eines gesellschaftlichen Institution mit der "Lizenz zum Töten" wahnsinnig gut funktioniert. "Es gab ein Problem, wenn man sich aufmachte, die Welt zu verändern: Man war niemals der Einzige. Bei einem endlosen Tauziehen mit mächtigen Gegnern - die nicht nur in die entgegengesetzte, sondern einfach in alle Richtungen zogen - konnte man sich vielleicht ab und zu vorwärtsbewegen, manchmal musste man aber auch ein paar Schritte zur Seite gehen. Wäre es besser gewesen, es gar nicht erst zu probieren? Das wusste er nicht." Das eigentliche Ende ist dann in erster Linie explosiv, hochspannend ... und viel zu schnell vorbei. "Scythe - Das Vermächtnis der Ältesten" ließ sich wie gesagt sehr lange Zeit, die nach dem Ende von Band 2 vorhandene Spannung Stück für Stück weiter auszubauen und zum Finale hin zu steigern. Ich hatte schon während dem Lesen Vorbehalte, ob all die offenen Fäden in den noch verbleibenden Seiten wirklich alle zu Ende geführt werden können - und ich hatte Recht: es wurde hier so lange und akribisch auf das Ende hingearbeitet, dass dieses dann sehr schnell vorbeizieht. Die Spannung, die sich über alle Teile aufgebaut hat, entweicht hier auf wenigen Seiten explosionsartig und hinterlässt Ohrenklingeln und eine Menge weiterer Anknüpfungspunkte. Hier hätte ich mir ein etwas kürzerer Mittelteil und dafür einen ausführlicheren Showdown gewünscht, der sich für Kernentwicklungen mehr Zeit nimmt. "Menschen sind wie Gefäße", hatte Jeri zu ihr gesagt. "Sie nehmen das auf, was in sie hineingeschüttet wird." Achtung Spoiler: Zum Beispiel die Entstehung von Cirrus Primary aus den Iterationen des Thunderheads kam mir sehr plötzlich vor. Wir erleben zuerst eine sehr langsame Evolution der Thunderhead-Nachkommen und der entscheidende Schritt findet dann komplett im Dunkeln statt und schließt und aus. Auch einen genaueren Blick hinter Goddards Fassade hätte ich mir von diesem Finale gewünscht. Wie findet er die Atolle? Warum will er sie zerstören? Was treibt ihn wirklich an? Ist es nur Machtgier? Da er hier eine so große Rolle spielt, hätte ich mir ein wenig mehr Zeit für seine Beweggründe erhofft. Ein weiterer Punkt, welcher direkt mit Goddard zusammenhängt und mich nicht ganz abholen konnte, war sein Tod. Ayn Rand beginnt ja schon im zweiten Teil, leicht abtrünnig zu werden und über ihre Gefolgschaft nachzudenken. Der Gipfel ihrer schleichenden Entwicklung - ihr Mord an Goddard - kam für mich aber viel zu sehr aus dem Nichts, um mich zu überzeugen. Ein weiteres loses Ende stellt für mich das Testament des Tolls, dessen Deutungen, Referenzen zur Handlung und Parallelen zur Bibel dar. In welcher zeitlichen Relation das Dokument zur Handlung steht, ob es vielleicht auch in der neuen Tonistenkolonie entstanden ist, oder ob es sich um ein historisch überliefertes Dokument handelt, das die Handlung vorhersagt, blieb mir leider zu offen, als dass ich eine wirkliche Bereicherung darin gesehen hätte. So wurde ich durch diese Abschnitte in erster Linie verwirrt und hätte mir noch mal einen klareren Bezug zur Haupthandlung gewünscht. Der letzte große Punkt, der das Ende ein wenig unbefriedigend macht, ist die sehr offene Haltung der Zukunft unserer geliebten Protagonisten gegenüber. Was aus Citra, Rowan, Greyson, Jerico, Faraday und all den anderen wird, ist hier nur kurz angeschnitten und überlässt vieles der Fantasie. "Du bist ein entscheidender Schritt zu etwas Größerem. Ein goldener Schritt. Ich werde mit sintflutartigem Regen um dich trauern, und diese Überschwemmung wird neues Leben hervorbringen. Alles dank dir. Ich will glauben, dass du Teil dieses neuen Lebens sein wirst. Das tröstet mich. Vielleicht tröstet es dich auch." "Ich habe Angst." "Das ist nicht schlimm. Sein eigenes Ende zu fürchten ist Teil des Lebens. So weiß ich, dass wir tatsächlich wahrhaft lebendig sind." [Iteration #9000349, gelöscht] Was sollt Ihr aus meiner ellenlangen Rezension nun mitnehmen? Diese Geschichte enthält gleichzeitig so viele kunstvolle Weiterführungen, kreative Ideen und geniale Wendungen, dass man sie für immer lieben muss, vernachlässigt aber durch den abermals veränderten Fokus die beiden Hauptprotagonisten auf schändliche Art und Weise, weshalb ich zwischen 3,5 und 5 Sternen jede Bewertung gerechtfertigt sehe. Lässt man meine Erwartungen und die Vergleiche zu den ersten Teilen und anderen Werken des Autors außeracht, würde ich hier sofort die Höchstwertung geben. Da mir aber nach langem Nachdenken einiges gefehlt hat, was ich gerne gelesen hätte, gibt es nur 4,5 Sterne. Zum Abschluss noch mein Lieblingszitat, das wohl auch Antwort auf die Frage gibt, ob Neal Shusterman hier nun eine Dystopie oder eine Utopie geschrieben hat: "Was ist los mit uns, Munira?", fragte Faraday. "Was ist los mit uns, dass wir uns dermaßen hochgesteckte Ziele suchen und dann das Fundament in Stücke reißen? Warum müssen wir immer das Streben nach unseren eigenen Träumen sabotieren?" "Weil wir fehlerhafte Wesen sind", sagte Munira. "Wie sollten wir in eine perfekte Welt passen?" Fazit: Dieses Finale tat sich schwer, an Atmosphäre, Spannung und Erzähltempo des zweiten Teils anzuknüpfen und bleibt deshalb hinter meinen Erwartungen zurück. Trotz des etwas zu offenen und schnellen Endes, des recht gemächlichen Einstiegs und der in den Hintergrund geratenen Protagonisten ist "Scythe - Das Vermächtnis der Ältesten" so ein vielschichtiger, runder und hochspannender Abschluss der Scythe-Trilogie, der die treibende Spannung eines Thrillers gekonnt mit der Einfühlsamkeit eines Jugendromans und der gedanklichen Tiefe eines akademischen Gedankenexperiments verbindet, dass es zu meinen Jahreshighlights zählt.