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Wordworld

Posted on 16.12.2020

Nachdem ich der erste Band der Reihe "Ugly - Verlier nicht dein Gesicht", was mich jetzt zwar nicht umgehauen, aber mich mit doch einigen ganz interessanten Ideen unterhalten hat, vor ein paar Tagen gelesen hatte, war für mich klar, dass ich die Geschichte weiterverfolgen will. Diese Fortsetzung weist jedoch die typischen Schwächen eines Trilogie-Mittelteils auf und kann weder mit besonders viel Spannung, noch mit neuen Erkenntnissen oder einer übermäßigen Entwicklung aufwarten, was mich ehrlich gesagt ein wenig enttäuscht hat. "Schatten bewegten sich im Wind und sie stellte sich vor, wie graue Gestalten dazwischen einherhuschten. "Das war mein Fehler" "Wie meinst du das?" "Es ist immer mein Fehler" "Das ist doch Pfusch, Tally.", sagte Zane leise. "Es ist nicht schlimm, etwas Besonderes zu sein." Das Cover zeigt ebenso wie das des ersten Teiles ein Mädchengesicht in Zoomaufnahme. Wo auf dem vorhergegangenen aber Linien und Pfeile anzeigten, wie eine Schönheitsoperation bestimmte Merkmale verändern würde, um es der Norm anzugleichen, sind diese Veränderungen hier schon vorgenommen werden und wir sehen ein typisches Pretty-Gesicht: große Augen, glatte Haut, perfekte Symmetrie. Spannend ist daran vor allem, dass das Gesicht zwar irgendwie ganz hübsch erscheint, gleichzeitig jedoch ein wenig langweilig, durchschnittlich und seelenlos wirkt, wenn man es mit dem Mädchen auf dem ersten Cover vergleicht. Das zeigt ganz wunderbar, wie den Uglies bei ihrer Operation neben ihren Makeln auch ihre Individualität und vor allem ihr scharfes Denken genommen werden, sodass am Ende eine gleichdenkende und gleichaussehende, hübsche Masse zurückbleibt. Insofern passt das Cover natürlich zum Inhalt wie die Faust aufs Auge, nichtsdestotrotz finde ich es optisch nicht sonderlich ansprechend. Natürlich passen Titel und Untertitel wieder ebenfalls gut. Erster Satz: "Sich anzuziehen war immer der schwierigste Teil des Nachmittags." Die Geschichte steigt direkt in Tallys neues perfektes Pretty-Party-Spaß-Konsum-Leben ein. Nachdem sie sich freiwillig den Specials gestellt hat, um nach der Operation das neue Heilmittel der Smokey-Rebellen an sich testen zu lassen gehört sie auch zu der schönen Seite der Zivilisation, deren größtes Problem es ist, wenn das Motto einer Party im letzten Moment noch geändert wird. Fragen um die richtige Clique, das perfekte Kostüm, den größten Kick bestimmen jetzt Tallys Leben in New Pretty Town. Doch obwohl Tallys größter Wunsch eigentlich in Erfüllung gegangen ist und sie kaum mehr Verbindungen zu ihrem vorherigen Leben hat, kommen immer wieder Erinnerungsfetzen hoch und leise Zweifel beginnen sich in ihrem verlullten Pretty-Hirn zu regen. Als sie schließlich auf einer Party einen Ugly-Freund aus ihrer Smokey-Zeit trifft und dieser ihr das Versteck zum Heilmittel gegen die Läsionen, die die Operation im Gehirn der Prettys hinterlässt, verrät, schnappt sie sich ihren Pretty-Freund Zane und sucht das Versteck auf. Doch als sie im Anschluss mehr über New Pretty Town herausfindet und ihr alles wieder einzufallen droht, gerät sie aufs Neue in den Fokus der Behörden und die einzige Möglichkeit zu entkommen ist die Flucht aus New Pretty Town... "Sie seufzte. Auf eins war in ihrem Leben immerhin Verlass: Es wurde immer nur noch komplizierter." Auch wenn ich den ersten Teil erst wenige Tage zuvor beendet hatte fand ich es sehr schwer wieder in die Geschichte reinzukommen, da sich sowohl Tallys Charakter als auch ihre ganze Lebenswelt nach der Operation komplett verändert haben. Ich muss zugeben, dass mir dieser Wandel und vor allem das oberflächliche, prettyhafte Denken Tallys zu Beginn gehörig auf die Nerven gegangen ist. Auch wenn die Handlung eigentlich recht bald damit startet, dass Tally Croy wieder trifft und es an Handlung eigentlich nicht wirklich mangelt, hatte ich ein großes Problem, die Geschichte ernst zunehmen. Vor allem die ätzenden Wortwiederholungen von "prickelnd", "Pfusch", "Glücks-Faktor" und anderen Modeausdrücken, die in fast jedem Satz vorkamen, den Tally aussprach oder dachte, haben mich wirklich genervt. Ich kann durchaus verstehen, warum der Autor diese Mittel genutzt hat, um uns eindrücklich klar zu machen, dass Tally jetzt anders ist und die Läsionen in ihrem Gehirn ihr Denken vernebeln, aber das hätte ich auch nach 10 Wiederholungen des Wortes "prickelnd" schon verstanden. Gerade hier am Anfang hätte ich mir doch ein wenig mehr Abstand zu Tally gewünscht, eine etwas distanziertere Sicht auf sie und ihr Verhalten. "Als sie hier über der Erde schwebte und ihr perfektes Gesicht von der Kapuze verborgen war, kam sie sich vor wie ein auferstandenen Geist, der neidisch die Lebenden beobachtete und versucht sich daran zu erinnern, wie es gewesen war, auch am Leben zu sein." Dazu kommt dass eigentlich nichts Neues passiert und das Buch im Aufbau sehr starke Parallelen zu "Ugly" hat. Zuerst eine lange Beschreibung des Pretty-Daseins, das Nehmen des Heilmittel und zum Ende hin auch wieder eine Flucht in die Wildnis. Klingelt es da bei jemandem? Für mich war dieser Zwischenteil ein typischer Überbrückungsband, wie man ihn leider so oft bei Trilogien findet. Ich finde es wirklich schade, dass der Autor hier nicht die Möglichkeit gefunden hat, die ganze eigentliche Story wesentlich einfacher zusammenzufassen und sofort ohne weitere unnötige Umwege in die gewünschte Richtung zu lenken. In diesem Format kam bei mir kaum Spannung auf, da die vielen Geschehnisse zwar ganz unterhaltsam zu lesen waren, die Handlung aber um kein Stück voran brachten. "Du solltest die Welt so sehen wie ich, Tally." "Sie bieten mir einen Job an? Als Special?" "Keinen Job. Eine komplett neue Existenz." Besonders geärgert hat mich, dass wir hier fast gar nichts mehr über die Hintergründe des dystopischen Pretty-Ugly-Special-Systems erfahren, in dem die Geschichte spielt. Schon der erste Teil war kein tiefgründiges Meisterwerk, mir hat die dargestellte Grundidee aber sehr gut gefallen. Die Idee, die Evolution und die Gleichheit aller Menschen als gute Begründung für übergreifende Schönheitsoperationen anzusetzen, ist wirklich logisch und innovativ, genau wie die interessante Umsetzung in New Prettytown und Uglyville. Da im Anfangsband die präsentierte Gesellschaft nur recht lückenhaft angerissen wird und man nur einen groben Überblick über die Lebensweise der Menschen, die Luxusprobleme und die Oberflächlichkeit, die überhand nimmt, wenn jegliche Individualität verloren geht, bekommt, hätte ich es hier aber dringend erwartet, dass wir mehr über die Gesellschaft der Pretties und Uglies erfahren. Dass hier leider Großteils nicht viel Neues passiert und wir auch keine interessanten Hintergrundinformationen mehr präsentiert werden, die den Blick auf die Handlung nochmal verändern oder auch nur einen Schlenker oder gar Twist im Plot andeuten, hat für mich sehr viel Potential verschenkt. Der Schreibstil ist noch schlichter und oberflächlicher als zuvor, was angesichts der Zielgruppe der Leser und dem geringen Anspruch der Handlung jedoch vollkommen in Ordnung ist. Neben der nervigen und wenig einfühlsamen Wortwahl, über die ich mich oben schon beschwert habe, lässt sich das Buch flüssig und schnell lesen. Die 400 Seiten lesen sich wie 200, hinterlassen dafür aber wenig Eindruck. "Wir haben es geschafft, Tally. Wir sind frei!" Sie schaute in seine Augen und die Erkenntnis, dass sie endlich hier waren, am Stadtrand, am Anfang der Freiheit, verursachte ihr ein Schwindelgefühl. "Ja. Wir haben es geschafft." Bei den Charakteren sehe ich ein weiteres Problem. Wieder erzählt hier Tally als personaler Er-Erzähler mit Innensicht. Seltsamerweise ist man hier aber viel näher an ihren Gefühlen und Gedanken dran, was ich genau an dieser Stelle der Handlung gar nicht verstehen konnte. Hier hätte ich mir wirklich ein wenig mehr Distanz gewünscht, um ihr Verhalten aus der Ferne begutachten zu können. Denn wo sie zuvor noch als vielfältige Person, die in verschiedenen Szenen versucht, jemand anderes zu sein - naive Bürgerin, gewitzte Rebellin, besorgte Freundin, Spionin, Heldin - präsentiert wurde, verliert sie hier durch den Gehirnschaden erstmal komplett ihr Profil und steht dann langsam als fast andere Person wieder auf. Als sie es schließlich schafft, die stupiden, idiotischen, naiven und abgekoppelten Denkweisen abzustreifen, konnte ich sie nur schwer mit der Person in Einklang bringen, die sie mal war. Mir fehlte ihre echt, ehrliche und ungeschönte Authentizität, ihre fehlerhafte Teenagerseite mit naiven Wünschen, Ängsten, unnachvollziehbaren Gedankengängen, Trotzphasen und Höhenflügen. Irgendwie scheint sie sich während der ganzen Pretty-Sache verändert, scheint sie irgendwie erwachsen geworden zu sein, ohne dass der Leser davon irgendetwas mitbekommt. Ich hatte plötzlich das Gefühl, das Gefühl für die eigene Protagonistin verloren zu haben und sie gar nicht mehr richtig zu kennen. Das wirft natürlich im Verständnis der Geschichte natürlich recht stark zurück. "Bald würden sie springen müssen, im freien Fall, bis ihre Hubbretter das Magnetgitter der Stadt spürten und sie auffingen. Es war nicht so einfach wie ein Sturz mit einer Bungeejacke, aber auch nicht zu schwierig, hoffte Tally. Als sie nach unten sah schüttelte sie den Kopf und seufzte. Manchmal kam es ihr so vor, als sei ihr Leben eine Serie von Stürzen aus immer größerer Höhe..." Auch David erkennt sie fast nicht mehr wieder, vom rein äußerlichen mal abgesehen. Da passt es natürlich ganz wunderbar ins Konzept, dass Tally ihn sowieso schon lange abgeschrieben und ersetzt hatte: durch den hübschen Pretty Zane. Dass sie sich nicht mehr an David erinnern kann mag ja einleuchten, dass sie sich aber sofort und ohne jedes mulmige Gefühl in die nächste Beziehung stürzt ist ein wenig fragwürdig. Jetzt hoffe ich mal, dass wir es im letzten Teil nicht mit einer Dreiecksbeziehung zu tun bekommen, dann wäre ich mit meinem Latein wirklich am Ende, was diese Geschichte anbelangt. "Pretties mochten keine Konflikte. Pretties gingen keine Risiken ein. Pretties sagten nicht Nein. Aber Tally war keine Pretty mehr. Sie packte ihr Hubbrett und ließ sich ins Leere fallen." Interessant wird der Roman nur nochmal gegen Ende. Als Tally nach ihrer Flucht auf ein geheimnisvolles Reservat trifft, in dem Menschen auf ganz ursprüngliche Art und Weise leben und sie als Art Gottheit verehren. Diese Idee hat für mich das Buch gerade nochmal retten können, sodass ich dem letzten Teil "Special - Zeig dein wahres Gesicht" wohl doch nochmal eine Chance geben werde. Fazit: Eine sehr durchwachsene Fortsetzung, die meine Erwartungen nicht erfüllen konnte und unter den typischen Symptomen eines Trilogie-Mittelteils litt. Meine Hoffnung auf einen guten Abschluss ruht nun ganz auf dem letzten Teil!

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