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Wordworld

Posted on 16.12.2020

Zum Ende meiner lang ersehnten Ferien habe ich noch dringend eine schöne, kitschige Liebesgeschichte gebraucht. Als ich im Verlagsprogramm von Piper "When it´s real" vom Autorenduo Erin Watt gefunden habe, habe ich beschlossen, den zweien eine Chance zu geben und mir das Buch angefragt. Aufgrund der grenzwertigen Geschichte von der "Paper"-Reihe, habe ich von Erin Watt bislang eher Abstand gehalten. Mit ihrem neuen Einzelband über die Liebe zwischen einem Rockstar und einem gewöhnlichen Mädchen haben die beiden bewiesen, dass sie auch etwas ruhigere und einfühlsamere Young Adult Romane schreiben können. Ich habe die Geschichte an einem einzigen Mittag weggelesen und auch wenn ich einige Kritikpunkte anzubringen habe, ist die Geschichte doch überraschend mitreißend und authentisch. Das Cover ist für meinen Geschmack eine Spur zu kitschig. Wunderbar verträumt wirkt der türkisgrüne Hintergrund mit den helleren Lichtpunkten und auch die sprühenden Funken der Wunderkerze passen schön ins Bild. Das goldene Herz, das aus vielen einzelnen Glitter-Partikeln besteht, ging mir dann aber doch eine Spur zu weit. Da gefällt mir das Orginalcover, das im Grunde dasselbe Motiv zeigt - eine herzförmige Wunderkerze vor einem blauen Himmel - viel besser. Auch der Untertitel ist für mich nicht besonders passend. Gleich auf dem Cover von "wahrere Liebe" zu reden finde ich sowieso immer ein wenig fragwürdig und so viel zum Überwinden wird den beiden Protagonisten hier auch nicht vorgesetzt. Anfangs war ich auch von dem Haupttitel gar nicht begeistert. Im letzten Drittel des Buches wird jedoch klar, worauf sich der Titel bezieht: ein Song, den Oakley für seine Angebetete schreibt. Eine Besonderheit in der inneren Gestaltung des Romans sind die Auszüge aus sozialen Netzwerkkanälen, wie Fankommentare oder Beiträge von Promi-Blogs, die zu jedem Kapitelbeginn die Geschehnisse kommentieren und somit die Durchsichtigkeit der Geschehnisse verdeutlicht. Insgesamt eine stimmige Gestaltung, die für mich jedoch ein wenig zu kitschig ist. Erster Satz: "Bitte sag mir, dass jedes Mädchen da drin volljährig ist" Wir platzen ohne Prolog oder Vorwort in das scheinbar unbesorgte Partyleben des berühmten Rockstars und Mädchenschwarms Oakley Ford, den das Leben als Celebrity mit jedem Tag mehr abstumpft, wenn die Begeisterung der Massen seine eigene Stimme übertönt. Kein Wunder dass der begabte Musiker seit zwei Jahren kein neues Album mehr herausgebracht hat, unter einer Kreativblockade leidet und außer Skandalen keine Schlagzeilen mehr produziert. Als eine Chance auf die Zusammenarbeit mit dem bekannten Musikproduzenten Donovan King anklopft, auf die er schon seit einer Ewigkeit wartet, stellt ihn sein Manager Jim vor ein Ultimatum: er muss sich ein besseres Image verschaffen und endlich erwachsen werden, oder sein Stern am Promihimmel ist schon wieder verglüht, bevor er überhaupt richtig aufgestiegen war. Als der Star widerwillig zustimmt, besorgt ihm sein PR-Team eine Fake Freundin, die als "ganz normales Mädchen von nebenan" für ein Jahr die Frau an seiner Seite sein soll, um mit einer unschuldigen und süßen Liebesgeschichte seinen Ruf zu verbessern. Mit Vaughn Bennett, der Schwester einer Angestellten in der Presseagentur Jims, findet Oakleys Team dann die perfekte Kandidatin. Als Waisenkind, das zusammen mit ihrer älteren Schwester ihre beiden jüngeren Brüder großzieht, ist sie eine Verkörperung von Unschuld und Anstand. Um ihre finanzielle Lage aufzubessern, ihren Brüdern eine Collegeausbildung zu ermöglichen und ihre Schwester zu entlasten, willigt sie schließlich ein, unwissend, wie sehr diese Entscheidung ihr Leben verändern wird... "Die Hälfte aller Male, die du den Mund aufmachst, würde ich die am liebsten eine Ohrfeige geben." Vaughn lächelt mich verlegen an. "Aber wenn du singst, ... dann fällt es mir wirklich schwer, dich zu hassen." Eigentlich bekommen wir hier den Inbegriff eines typischen Young Adult Romans mit Bad Boy und normalem Mädchen vorgesetzt. Und wie erwartet: die Geschichte steckt auch voller Klischees und Oberflächlichkeit und verrät schon auf den ersten zwanzig Seiten ihren Ausgang. Doch da gibt es etwas, was die Geschichte von den anderen Rockstarromanzen abhebt. Auf der ungewöhnlichen Basis einer Fake-Beziehung entwickelt sich langsam und authentisch eine zarte, brave Beziehung zwischen den beiden. Es gibt kein dramatisches Hin-und-Her, keine unlogischen Liebe-auf-den-ersten-Blick-Szenarien und auch keine wilden Liebesszenen. Während die beiden von Paparazzi umschwärmt werden, täglich ein Liebes- und Shitstorm in den sozialen Netzwerken über die beiden hinwegfegt und eine gesellschaftliche Kluft die beiden trennt, nähern sie sich langsam an, bis zwischen den beiden Gefühle entstehen, die eine kleine reale, wahrhaftige Insel in all dem Fake und Schein der Promiwelt darstellt. "Das hier ist keine Show. Es ist echt und schrecklich und wundervoll zugleich." Die hohe Anziehungskraft der Geschichte resultiert dabei weniger aus handlungsbezogenen Spannungsbögen sondern resultieren eher aus der prickelnden Mischung von Glamour, High Society, den Schattenseiten des Ruhms, unmöglicher Leidenschaft und ungeahnter Verletzlichkeit. Der Schreibstil der beiden Autorinnen ist dabei unauffällig durchschnittlich und liest sich leicht und flüssig. An manchen Stellen kommt der Lesefluss jedoch gelegentlich ins Stocken, was aber auch an der Übersetzung liegen könnte. Erzählt werden die Kapitel abwechselnd aus der Sicht von Vaughn und Oakley, was durch ein großes Wasserzeichen mit der Aufschrift "Er" oder "Sie" deutlich gemacht wird. Durch die Ich-Perspektiven auf beiden Seiten bekommen wir alle Gefühle und Gedanken hautnah mit, die Möglichkeit, Gefühle einer der beiden Protagonisten vor dem Leser zu verstecken, um irgendwelche Wendungen hervorrufen zu können ist damit jedoch nur auf das Aussetzen der Erzählperspektive beschränkt. Dadurch ist schon von Anfang an klar, in welche Richtung sich die Story entwickeln wird und auch die herzlose Bad-Boy-Fassade Oakleys lässt sich vor den Lesern nicht lange halten. Dadurch erscheinen beide Charaktere nicht besonders tiefgründig und entwickeln sich auch nicht groß weiter. Man erfährt außerhalb der Handlungsebene, die sich vor allem auf die Beziehung zwischen Oakley und Vaughn bezieht, nicht besonders viel über die Charaktere und auch andere Figuren bleiben eher blass. Bei Young Adult Geschichten ist das jedoch leider häufig so, weshalb ich gar nicht groß etwas anderes erwartet habe. Wenn man realistische und gut ausgearbeitete Charakterstudien oder knisternde Spannung haben will, muss man einfach in einem anderen Genre suchen. Dafür wartet dieses Genre mit intensiven Emotionen auf. So auch hier: ich musste Oakley und Vaughn einfach sofort ins Herz schließen und mit fiebern, auch wenn mein Verstand kritisch herumgemäkelt hat. "Sie verändert dich" Ich ignoriere ihn einfach und schreibe weiter, dass mein Herz ein Schrottplatz ist, in dem lauter nutzlose, verbrannte Teile herumliegen. "So was schaffen nur ganz besondere Menschen" Für Vaughn hatte das Leben bisher erst wenig Zucker bereit: sie hat bereits früh ihre Eltern verloren und versucht seitdem gemeinsam mit ihrer älteren Schwester und ihren jüngeren Zwillingsbrüdern über die Runden zu kommen. Halt findet sie bei ihrem Freund W, der immer für sie da ist, dafür aber auch Gegenleistungen erwartet. In Oakley sieht sie zuerst einen verwöhnten Idioten und kann ihn nicht ausstehen, langsam merkt sie jedoch, dass auch er mit seinem Leben nicht glücklich ist und dass berühmt-sein harte Arbeit ist. Mit ihrer naiven, aufrichtigen und doch starken Art schleicht sich langsam in sein Herz, da sie vor allem eines ist: real, echt, ungekünstelt. Auffallend ist bei ihrem Charakter, dass wir nur sehr wenig über sie erfahren, was über die Handlung herausgeht. Was sind ihre Hobbies, wovor hat sie am meisten Angst, wovon träumt sie? Sie ist und bleibt das durchschnittliche, nette Mädchen, dass alle in ihr sehen. Gerade weil sie jedoch nicht besonders umwerfend aussieht, einen brillanten Stil hat oder über hervorragende Talente verfügt, können wir uns als Leser sehr gut mit ihr identifizieren. "Du hast gesagt, dass in deinem Leben alles fake ist. Aber das sind wir nicht. Wir beide sind echt. Das zwischen uns ist verdammt echt." In Oakley trifft Vaughn auf einen Charakter, der zwar gegensätzlicher nicht sein könnte, sie jedoch ganz wunderbar ergänzt und in ihr etwas ganz Neues sieht. Der hochgelobte Musiker führt eigentlich ein absolutes Traumleben: er ist berühmt, kann sich jeden Luxus leisten, die ganze Welt liebt ihn und er kann seine kühnsten Träume verwirklichen. Dennoch merken wir relativ schnell, dass er im Grunde genommen recht unzufrieden mit seinem Leben ist, da der Ruhm auch eine Menge Einschränkungen mit sich bringt So kann er nie spontan irgendwo hinfahren, ohne dass er eine riesige Menschentraube um sich schert, er kann sich auf niemanden verlassen, weil alle in ihm nur eine Möglichkeit sehen, nach oben zu kommen oder für ihn schwärmen, ohne ihn wirklich zu kennen, er wird von der ganzen Welt geliebt und muss dennoch von denen Ablehnung erfahren, die ihm am Wichtigsten sind: seine stinkreichen und berühmten Eltern, mit denen er kaum Kontakt hat. Im Grunde ist er also relativ einsam und führt kaum ein reicheres Leben wie Vaughn. Als diese in ihr Leben tritt sieht er zuerst alles, was sie nicht ist: kein Model, keine Berühmtheit, kein Fan, doch als sie beginnt, mehr von ihm zu verlangen, als Rockstar zu sein, hinter seiner Fassade herumgräbt und erstaunlich andere Seiten an ihm zum Vorschein bringt, beginnt er sich zu fragen, was wirklich in ihm steckt. "Es ist genauso, wie ich es mir immer gewünscht habe. Besser, als wenn fünfzigtausend Leute deinen Namen brüllen. Schöner, als ein ausverkaufter Madison Square Garden, in dem das Publikum deine Songtexte mitsingt. Herrlicher als der beste Song aller Zeiten." So steuert die Geschichte gemächlich auf ein Happy End zu, woran auch die kaum einfallsreiche und unnötige Wendung vor Schluss nichts ändern kann. Im Gegenteil: die fragwürdige Entwicklung, die den Protagonisten in typischer Young Adult Manier scheinbar noch mal einen Stein in den Weg legt, wird dann viel zu schnell aufgelöst und hierlässt am Ende eine gerunzelte Stirn. Fazit: Auch diese Geschichte erfindet das Genre, in dem sie steht, keineswegs neu. Die Rockstarromanze kommt jedoch erstaunlich zart und brav daher und auf der ungewöhnlichen Basis einer Fake-Beziehung entwickelt sich langsam und authentisch eine ehrliche Liebe in all dem Fake und Schein unserer Gesellschaft. Kein Meisterwerk, jedoch unterhaltsam, mitreißend und mitfühlend erzählt.

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