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Wordworld

Posted on 16.12.2020

Da mich schon "Wir sehen uns beim Happy End" von Charlotte Lucas total verzaubert hat, war klar, dass dies nicht ihr einziger Roman in meinem Regal bleiben wird. "Dein perfektes Jahr" war mein zweiter Versuch und auch wenn mich die Geschichte von Hannah und Jonathan nicht ganz so überzeugen konnte, wie die von Ella und Oscar, kann ich diesen zauberhaften Roman über Schicksal, Tragik, Zufälle, die Kraft der Gedanken und die Unvermeidbarkeit der Liebe nur weiterempfehlen! Auch für "Dein perfektes Jahr" hat sich der Lübbe Verlag mal wieder eine sehr verträumte, exzentrische, aber wunderschöne Gestaltung ausgedacht, welche wunderbar zur Geschichte passt. Auf einem dunkelblauen, an einen Nachthimmel erinnernden Hintergrund ist der Titel in großen bunten Buchstaben im Handlettering-Stil umgeben von liebevollen Verzierungen zu sehen. Blumenranken, Herzen, Vögel, Sterne, Hufeisen und die Silhouetten zweier Personen geben der Gestaltung einen verspielten Touch und lassen das Buch zusammen mit dem pinken Buchschnitt und dem lilafarbenen Lesebändchen edel und kitschig zugleich aussehen. Auch die innere Gestaltung gefällt mir gut. Die einzelnen Kapitel, die genau die richtige Länge besitzen, werden mit dem Namen des erzählenden Protagonisten und dem jeweiligen Datum begonnen, was angesichts des komplizierten Handlungsaufbaus sehr hilfreich ist. Erster Satz: "Jonathan N. Grief war nicht zufrieden." Charlotte Lucas erzählt hier nämlich keine einfache, chronologische Begegnung-zu-Liebe-Geschichte, sondern hat sich für das Glück ihrer Protagonisten etwas ganz Besonderes ausgedacht. Worauf genau diese originelle Idee und der ausgeklügelte Aufbau hinausläuft, will ich an dieser Stelle nicht verraten, um neugierigen Lesern nichts vorwegzunehmen. Nur so viel: Rechnet nicht mit einer schnulzigen, vorhersehbaren 08/15-Liebesgeschichte, wie es sie zu Genüge gibt. Was folgt ist die tragisch-komische Geschichte einer Frau, die versucht auch bei Schicksalsschlägen nicht ihre positive Einstellung zu verlieren und eines Mannes, der durch einen Zufallsfund sein Leben umkrempelt. "Dein perfektes Jahr" ist kein bloßer Feelgood-Roman - Er trägt ganz leise versteckt eine wundervolle Botschaft, tolle Ideen und kleine Anspielungen in sich und berührt mit zarten Zwischentönen. Mit den vielen schönen Anregungen, philosophischen Gedanken und der deutlichen Message, das Leben positiv anzugehen, Spuren in die Zukunft zu legen und im Jetzt zu leben, die wir zur gut durchdachten Handlung on top erhalten, ist die "Dein perfektes Jahr" also eine über weite Teile "wundervoll warmherzige Geschichte", um mal einen Protagonisten aus dem Roman zu zitieren. "Sich Sorgen machen ist wie ein Schaukelstuhl - man ist zwar beschäftigt, aber man kommt nicht voran." Das Problem, weshalb ich das Anhängsel "über weite Teile" nicht durch ein "rundum" ersetzen konnte? Leider startet die Geschichte sehr langsam und undurchsichtig (was allein noch nicht negativ anzumerken wäre) und benötigt darüber hinaus über 200 Seiten, um richtig Fahrt aufzunehmen. Im sehr langen Einstieg nimmt sich die Autorin viel Zeit, um uns in das Leben von Hannah und Jonathan einzuführen, wobei sie bei Hannah zwei Monate vor Jonathan startet. Wir bringen also das erste Drittel des Romans damit zu, mit Hannah über die Eröffnung ihres neuen Kinder-Event-Ladens nachzugrübeln, sich über ihren Freund Simon zu ärgern, der nach seiner Kündigung einfach nicht von der Couch hochkommt, was sich mit Jonathans Joggingrunden, Beschwerdebriefe an diverse Mitmenschen und einer ereignislosen Tagesroutine abwechselt. Etwas Schwung und Mysterium kommt nur durch Jonathans Kalender-Fund in die Geschichte, da sowohl er, als auch wir Leser aber sehr lange im Dunkeln tappen, wer ihm wohl ein ausgefülltes Filofax mit Anregungen für das nächste Jahr an seinen Fahrradlenker gehängt hat, konnte mich der Einstieg nicht besonders fesseln. „Es gibt zwei Tage im Jahr, an denen man nichts tun kann. Der eine ist gestern, der andere morgen. Dies bedeutet, dass heute der richtige Tag zum Leben, Glauben und in erster Linie zum Leben ist.“ Erst ab dem Punkt, an dem man zu ahnen beginnt, wie die beiden Handlungsstränge von Hannah und Jonathan zusammenhängen, kann man die Geschichte kaum mehr aus der Hand legen, da man wissen will, was Schwäne, Kalender, Zeitungsannoncen, überraschende Autofunde, Tarot-Vorhersagen und nächtliche Begegnungen mit Pudeln miteinander zu tun haben und ob die beiden ihr Happy End erhalten. Da dies aber erst zu einem relativ späten Zeitpunkt der Geschichte passiert, bleiben ihr Kennenlernen und die Gefühle, die sich zwischen ihnen entwickeln nur recht flott zwischen großen Zeitsprüngen verstaut. Ich hätte mir also insgesamt eine Kürzung der Einleitung und einen stärkeren Schwerpunkt auf dem letzten Teil der Geschichte gewünscht. Denn nur dieser konnte mit seinen schicksalhaften Verstrickungen, den vielen Gefühlen und den unvorhergesehenen Wendungen wirklich mitreißen. "Es war mehr ... wie ein kleines, aber sehr konzentriertes, schmerzhaftes Gefühl von Wehmut. Ein Gefühl von Sich-verlassen-Fühlen. Verraten von dem, den sie - wenn auch nur für kurze Zeit - für etwas ganz Besonderes gehalten hatte. Für jemanden, der ihr vom Schicksal geschickt worden war. Dämliches Schicksal! Da war die Deutsche Post ja verlässlicher!" Charlotte Lucas´ Schreibstil ist grundsätzlich eher pragmatisch und wenig beschreibend, an manchen Stellen und vor allem in Bezug auf das Innenleben der Figuren schweifen Gedankengänge auch mal seitenlang ab. Selbstverständlich lebt die Geschichte sehr von der vitalen Gedankenwelt der Charaktere, auf die Dauer sind aber ihre ganzen Gedanken, die Analyse ihrer Gefühle und andere Abschweifungen ein bisschen zu viel, sodass gerade am Anfang, als noch nicht so viel passiert, ein wenig Spannung verloren geht. Auch nach großen Gefühlen und ungezügelter Leidenschaft kann man hier lange suchen. Anders als in vielen Romanen dieses Genres liegt hier der Schwerpunkt wirklich auf den zwei Figuren an sich und ihrer schicksalhaften Begegnung, als auf ihrer Liebe, die sie schlussendlich verbindet. Man sollte den Roman also eher als Ode an das Schicksal, als Entwicklungsgeschichte zweier Figuren, deren Leben enger miteinander verstrickt sind, als sie zu Beginn glauben und als charmanten Mutmacher lesen und nicht als Liebesgeschichte. Sonst wird man spätestens im schnell abgehandelten und offenen Ende eine herbe Enttäuschung erleiden. Fazit: Ein zauberhafter, warmherziger und auch gut durchdachter Roman über Schicksal, Tragik, Zufälle, die Kraft der Gedanken und die Unvermeidbarkeit der Liebe. Leider lässt sich Charlotte Lucas mit ihrer Einleitung viel zu viel Zeit und schafft es erst nach der Hälfte richtig zu fesseln, bevor wir in ein überstürztes Ende purzeln. Über weite Teile viel Schönes dabei aber mit Mängeln im Aufbau!

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