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bibliomarie

Posted on 16.12.2020

Durch eine Fehllieferung erhielt ich die Neuübersetzung von Raymond Chandlers Klassiker „Die kleine Schwester“. Warum nicht die Gelegenheit ergreifen um einen Krimi zu lesen, dessen Autor als Vater des modernen Detektivs und als Mitbegründer des „Krimi noir“ gilt. (Die Straßen waren schwarz nicht vom Dunkel der Nacht allein. Chandler) Orfamay Quest kommt aus der Provinz nach Los Angeles, ihr Bruder Orrin meldet sich seit Monaten nicht mehr und sie befürchtet schlimmes. Viel Geld hat sie nicht, aber sie ist hübsch und hilflos, dem kann der hartgesottene Phil Marlowe nicht widerstehen – auch wenn er bald merkt, dass es einer der Fälle wird, bei denen er draufzahlt. Die Ermittlungen führen in die Glitzerwelt Hollywoods, wo die jungen und schönen Starlets um Ruhm und Aufmerksamkeit buhlen und dabei jedes Mittel nutzen. Gleich daneben geht in die Schäbigkeit hinter den Kulissen, in abgeranzte Hotels, zu zwielichtigen Ärzten, die ihre Praxis mit Drogen finanzieren und zu Gangstern, die Hollywood als Geldmaschine erkannten. Die Handlung ist sehr komplex und manchmal sogar verworren, man muss schon sehr konzentriert bei der Sache bleiben, um nicht einen Namen, einen Hinweis zu überlesen. Phil Marlowe ist ja inzwischen ein Synonym für einen Detektiv geworden, er agiert hier als „Harter Hund“, hat aber immer wieder seine romantischen Anwandlungen, wie er sich selbst eingesteht. Einer hilflosen Frau, einem hübschen Gesicht – da kann er eben nicht anders, auch wenn er die Folgen voraussieht. Das sind sehr interessante Einblicke in die Filmwelt der 40iger Jahre, die sich seit der Zeit wohl nur wenig veränderte. Die Sprache ist „cool“, für meine Begriffe wird das aber zu sehr strapaziert. Allerdings blitzten immer wieder Abschnitte auf, die brillant geschrieben sind. Das vermittelt mir schon, warum Chandler zu den Klassikern gehört. Aber ob jeder Klassiker die Jahrzehnte übersteht und gut altert, muss jeder für sich entscheiden. Ich hatte meine Schwierigkeiten damit. Nichts desto trotz war es an der Zeit mal einen „Philip Marlowe“-Krimi zu lesen und nicht nur die Filmbilder im Kopf zu haben.

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