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ankasgeblubber

Posted on 14.12.2020

So naiv ich in diese Geschichte hineinstolperte, so überrumpelt und voller lauter Gedanken spuckte sie mich am Ende wieder aus. Ich dachte, ich würde mich, an der Seite der jugendlichen Protagonistin Flora Banks, auf einen spannenden Roadtrip in die Arktis begeben. Auf dieser Reise würde das junge Mädchen zu sich selbst finden und das ein oder andere Abenteuer erleben. Ach, und ein süßer Junge dürfte natürlich auch nicht fehlen. So weit so gut. Tatsächlich reist die 17-jährige Flora in die Arktis und dass sie dort Abenteuer erlebt, kann ich auch nicht bestreiten. Doch wer sich hinter Flora verbirgt und welche Beweggründe sie für diese Reise hat, die für sie noch viel viel viel bedeutender ist, als ich gedacht hätte, erfuhr ich erst, als ich das Buch aufschlug. Aber von vorne. Flora Banks ist 17 Jahre alt. Seit ihrem zehnten Lebensjahr leidet sie an anterograder Amnesie. Was genau diese Krankheit bedeutet, führte mir die Autorin Emily Barr sehr eindrucksvoll vor Augen. Anstatt über Krankheitsbild und –verlauf zu schwadronieren, um mir so die Krankheit näher zu bringen, überließ sie es voll und ganz ihrer jungen Heldin, die mich an die Hand und mit in ihren Alltag nahm. Dieser Alltag wirkte auf mich als Außenstehende sehr befremdlich, doch für Flora bedeutet diese wichtige Routine Sicherheit. Ich bekam eine Ahnung davon, wie es sein muss, wenn man sich nicht erinnern kann und immer wieder vergisst. Die aktuellste Erinnerung, die Flora hat, liegt über sieben Jahre zurück. Alles was danach passiert ist, vergisst sie nach wenigen Stunden wieder. Mithilfe ihrer Familie, vielen Klebezetteln, ihrem Erinnerungsbuch sowie kleinen Notizen, die sie sich auf den Handrücken schreibt, meistert sie ihren außergewöhnlichen Alltag jedoch ganz gut. Doch plötzlich passiert das Unglaubliche. Flora küsst einen Jungen und kann sich am nächsten Tag noch daran erinnern. Und am übernächsten. Und am überübernächsten auch noch. Die Gefühle, die der Kuss in Flora geweckt hat, vermischen sich mit der Aufregung über die Erinnerung und werden schnell zu einer alles in den Schatten stellenden Euphorie. Drake heißt der Junge, der ihr den Kopf verdreht und Hoffnung geschenkt hat. Ist diese Erinnerung vielleicht erst der Anfang? Wird sie sich ganz bald an noch viel mehr erinnern können? Ob Drake der Schlüssel zu ihrem Glück sein wird, kann Flora jedoch nicht so einfach herausfinden, denn ihr heimlicher Kusspartner zieht für sein Studium in die Arktis. Für Flora ist schnell klar: Sie muss zu ihm. Doch wie soll sie das anstellen? So viel sei verraten: Ja, sie macht sich auf die Reise – was sie jedoch auf dieser erlebt und ob sie am Ziel ihrer Träume ankommt, das müsst ihr selbst herausfinden. Emily Barr hat mich mit ihrem Jugendbuch-Debüt schlichtweg überwältigt. Selbst Tage später, als ich das Buch längst beendet hatte, spukte Flora noch durch meine Gedanken. Eine bemerkenswerte, mutige, junge Frau auf der Suche nach Antworten, auf der Suche nach sich selbst und auf dem Weg zur Selbstbestimmung. Auf ihrem Weg findet sie nicht nur Antworten, sondern auch viele neue Fragen, die ihr komplettes Weltbild auf den Kopf stellen. Ihr (wohl-)behütetes Zuhause tauscht sie gegen die eiskalten, endlosen Weiten der Arktis, ihre Pantoffeln gegen gefütterte Moonboots, ihre Zweifel gegen Hoffnung und ihre Angst gegen Mut. Sie wächst über sich selbst und ihre (und auch meine) Erwartungen hinaus, selbst als sie nach einem Schritt vorwärts wieder zwei zurückgehen muss. Nach jedem Reset ihrer Erinnerungen kombiniert sie neu und findet zu sich selbst zurück, wenn es auch manchmal sehr schmerzhaft und fast schon unerträglich ist. „Ich schaue auf meine Hand. Dort steht Flora, das bin ich. Die Buchstaben auf dem Handrücken bilden meinen Namen. Ich halte mich daran fest. Ich bin Flora. Darunter steht: Sei mutig! Ich schließe meine Augen und hole tief Luft. Ich weiß nicht, warum ich hier bin, aber alles wird gut.“ (Zitatquelle: Verlagshomepage) Das letzte Viertel des Buches hat es dann so richtig in sich. Unerwartete Wendungen raubten mir den Atem und schürten das ohnehin schon lodernde Feuer der Dramatik weiter an. Hier kommt einiges zusammen – vielleicht am Ende doch etwas zu viel? Nein, für mich nicht. Ich empfand Floras Geschichte als rund. Sie gibt ihren Lesern nicht nur EINE großartige Message mit auf den Weg. Lest diesen gefühlvollen, außergewöhnlichen, aufregenden und mitreißenden Coming-of –Age Roman! Und vergesst niemals: SEID MUTIG, denn dann kann jeder Tag der schönste in eurem Leben werden.

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