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Buchdoktor

Posted on 14.12.2020

Hartmut Hainbach und seine Frau haben sich in einen kaum lösbaren Konflikt manövriert. Ehemann, Ehefrau und erwachsene Tochter befinden sich zu Beginn der Handlung in verschiedenen Städten und sind dabei, ihre Erwartungen aneinander zu klären. Der Philosophieprofessor fühlt sich wenige Jahre vor seiner Pensionierung erschöpft und ernüchtert vom Reformdesaster an deutschen Universitäten; seine Frau Maria Antonia hat sich mit 50 reichlich spät überlegt, dass sie gern ein eigenes Einkommen haben und das an einem Theater in Berlin verdienen möchte. Da die gemeinsame Tochter bereits 20 Jahre alt ist und das Elternhaus zum Studium in Spanien verlassen hat, hätte es vermutlich lange vorher in der Region Bonn für sie Möglichkeiten zur Berufstätigkeit gegeben. Wenn Hartmut an der Uni die Brocken hinwerfen will, müssen beide das finanzieren können – zwei Wohnsitze wie zur Zeit sind dafür die ungünstigste Voraussetzung. Der Konflikt im Hause Hainbach ist ein Luxusproblem, das sich Paare mit nur einem oder zwei schmalen Einkommen erst gar nicht leisten können. Stefan Thomes Romane habe ich in der umgekehrten Reihenfolge gelesen, zuerst das Buch über Maria und nun das Buch über Hartmut. Das bereue ich nicht, weil Maria für mich als Person erheblich interessanter war als Hartmut. Beide Bücher ergänzen sich wie zwei Hälften und sind verknüpft durch Szenen, die in beiden Romanen vorkommen. Das Wissen, warum Hartmut sich vom Beruf ausgelaugt fühlt, lässt einen den zweiten Roman besser verstehen, umgekehrt beurteilt vermutlich diese Luxusprobleme anders, wer Marias Vorgeschichte kennt. Hartmut am geschilderten Wendepunkt in seinem Leben fand ich sehr glaubwürdig, seine leicht salbungsvolle, suffisante Art hat mir ausgesprochen gut gefallen, auch wenn ich die Krise des Paars sehr weit ausgewalzt fand.

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