mari_liest
Zum Buch: Das Buchcover fand ich reizend, der Klappentext sehr ansprechend. Wir lesen die Geschichte von Hagar Shipley, einer 90-jährigen alten Dame. Unfreundlich, dickköpfig, trotzig, mürrisch, zeternd, eigensinnig, unzufrieden, ein schwieriger Charakter. So lernen wir die eine Seite von ihr kennen. Liebend, mutig, ehrlich, unterstützend, entschlossen, tatkräftig und beschützend. Das ist ihre andere Seite. Die Geschichte kommt in zwei Erzählsträngen daher. Der eine, die Vergangenheit unserer Hagar. Wo sie in Erinnerungen schwelgt und aus ihrem langen Leben erzählt (wir lesen quasi ihre Gedanken). Der zweite in der Gegenwart, wo sie bei ihrem Sohn und ihrer Schwiegertochter lebt und ihnen das Leben schwer macht. Aus nur einem Grund: man will die Alte ins Heim verschiffen. Und das will sich Hagar nicht so einfach gefallen lassen. Und was macht Hagar? Sie macht sich auf und davon. Meine Meinung: Der Schreibstil ist angenehm, sehr unaufgeregt, klar. Die Geschichte beginnt ruhig und hat zuerst nicht gepackt. Dies hat sich aber bald geändert. Mir kam beim Lesen in den Sinn „was für eine geile, schrullige Alte“. Und ich muss sagen, ich hätte diese Dame gerne persönlich kennengelernt. An einer Stelle habe ich wirklich laut gelacht, als erzählt wurde, dass sie vor 10 Jahren zu rauchen begann. Aus Langeweile. Das Thema, welches behandelt wird, wird uns alle früher oder später treffen. Ich denke, der Punkt, an dem man merkt, dass man geistig zwar noch gut kann, aber körperlich nicht mehr so, ist der, den niemand von uns wahrhaben wollen wird. Hagars Geschichte nimmt uns mit auf eine Reise durch ihr Leben: ihre Kindheit, ihre Jugend und ihr Erwachsensein. An vielen Stellen sehr brutal, keine Möglichkeit auf Eigenbestimmung. An vielen Stellen so herrlich direkt, selbstbestimmt und humorvoll. Man ist beim Lesen ein Teil ihrer Gedanken, fühlt mit ihr mit, macht eine Lebensreise mit ihr, durch alle Etappen. Der strenge Vater, der brutale Mann, ihre Eigenständigkeit, als sie selbigen verlässt. Und zum Schluss der Verlust ihrer Selbständigkeit. Ein Thema, das auf leisen Sohlen daher kommt und keinesfalls leicht ist für Betroffene. Ein Buch, das nachhallt und mich nachdenklich zurücklässt, wohlwissend, dass auch ich eines Tages, an bestimmen Stellen, eine Hagar Shipley sein werde.