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Buchdoktor

Posted on 10.12.2020

Rachel Caine hat sich ihre Träume erfüllt und als Biologin in einem Wolfsprojekt in Idaho gearbeitet. Erst nach dem Tod ihrer Mutter kehrt sie in ihre Heimat zurück, um für einen privaten Grundbesitzer in Cumbria als Leiterin eines Wolfsprojekts auf seinem Privatgrund zu arbeiten. Cumbria ist Rachels alte Heimat. Wer vorher für Behörden oder Naturschutzorganisationen gearbeitet hat, unterschätzt vielleicht die Probleme, die sich im Arbeitsverhältnis zu einem privaten Arbeitgeber entwickeln können. Rachel stammt aus einer dysfunktionalen Familie. Sie und ihr jüngerer Bruder haben jeweils ihren Vater nie kennengelernt und Rachel hat Lawrence praktisch aufgezogen. Als Biologin stellt sie später trocken fest, dass die Natur diese Aufgabe nicht vorsieht, sondern dass ein Tier das schwächere Geschwister vermutlich aus dem Nest geschubst hätte. Rachel ist zu diesem Zeitpunkt rund 40 und sich vermutlich nicht bewusst, dass ihre Familiensituation, nur geringfügig verändert, bei ihrer Rückkehr nach England auf sie warten wird. Lawrence ist noch immer der kleine Bruder. Rachel ist schwanger, eine Situation, auf die sie anfangs unentschlossen reagiert, keine Spur von einer rational denkenden Naturwissenschaftlerin. Beruflich läuft alles perfekt. Zwei junge Wölfe, die in Rumänien verletzt aufgefunden wurden, können eingeführt und auf dem Gelände des Earls wieder ausgewildert werden. Mit Ausnahme der am Wolfsprojekt höchst interessierten Tochter des Earls arbeitet Rachel nur mit Männern zusammen - ihr Arbeitgeber, der Tierarzt, ihr südafrikanischer Assistent, alle Kontaktpersonen auf politischer und Naturschutz-Ebene sind männlich. Der mit allen Tricks von Wilderern vertraute Kollege aus Südafrika darf im Roman leider nur eine Nebenrolle spielen. Sohn Charles wird geboren und anders als im wirklichen Leben kann Rachel mit dem noch kleinen Kind Beruf und Mutterschaft miteinander vereinbaren. Obwohl die Situation einer alleinerziehenden Mutter und Wissenschaftlerin treffend recherchiert ist, breitet sich das Baby-Thema sehr ausschweifend aus für einen Roman, der das Wort Wolf im Titel führt. Mancher Leser mag Zusammenhänge herstellen wollen zwischen der Geburt eines kleinen Menschen und der Fortpflanzung von Wölfen. Aber da Wölfe sich im Winter rarmachen und Forscher vielleicht wirklich in den Wintermonaten beruflich herunterschalten können, lässt sich die Dominanz der Mutterschaft gerade noch so tolerieren. Auch wenn ich Rachels Lebensweg fasziniert verfolgt habe, war mir die Zahl glücklicher Zufälle ein wenig zu hoch und Rachel hat sich m. A. nach in der Vereinbarung von Mutterschaft und wissenschaftlicher Karriere zu passiv treiben lassen. Neben den bekannten Widersprüchen, dass Menschen von Wölfen fasziniert sind, solange sie nicht über ihren eigenen Grund streifen, bietet das Buch interessante Gedanken zum Verhältnis zwischen England und Schottland und zur Rolle britischer Großgrundbesitzer. Der Earl hat offenbar noch keinen Plan B für die Situation, dass er den Erben des Titels und des Besitzes für unwürdig hält, diesen Besitz zu bewirtschaften. Allein wegen des perfekt recherchierten Wolfsthemas war "The Wolf Border" für mich eine spannende und lohnenswerte Lektüre. Die Fäden von Beruf, Mutterschaft und Liebe verknüpft die Autorin zwar gekonnt; für naturwissenschaftlich interessierte Leser wird das Thema Mutterschaft jedoch zu breiten Raum einnehmen.

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